Serie Crowdfunding - Teil 1: Das Publikum als Mäzen
Statt sich Filme oder Musik von der Kulturindustrie finanzieren zu lassen, bitten einige Künstler lieber das Publikum um Spenden. Eine Plattform dafür ist Inkubato.com.
"Schau dich um und unterstütze, was dir gefällt", steht groß auf der Startseite. Darunter reihen sich die fünf aktuellen Projekte, die um Gelder werben: eine Plattform für Videoaktivismus aus aller Welt, zwei Plattenaufnahmen, eine interdisziplinäre Kunsthalle, ein Ausstellungsprojekt. Sie brauchen zwischen 720 und 15.000 Euro, die meisten liegen unter einem Drittel des Plans.
"Das wird uns jetzt wohl ein bisschen die Quote verhauen", sagt Konrad Lauten, Mitbegründer und Betreiber der Seite Inkubato. "Bisher haben wir drei von sieben Projekten finanziert bekommen. Aber wir haben halt auch keine große Agentur im Rücken, die uns das Marketing macht, dann ist es ein bisschen schwieriger."
Jetzt ist es wohl nur das Brunos Boogaloo Orchestra, das sich berechtigte Hoffnung auf die Realisierung ihrer Plattenaufnahme machen kann: momentan steht ihr Zeiger bei 42 Prozent, es fehlen noch 1.713 Euro, bei knapp mehr als 60 Tagen Restlaufzeit.
Die Idee ist simpel: Wer ein Projekt hat, aber niemanden aus der Kulturindustrie, der daran glaubt, der wendet sich einfach an die Massen. Irgendwo werden sich schon Fans finden, die das Projekt finanzieren. Neudeutsch nennt sich die Finanzierung durch den Schwarm der Fans "Crowdfunding".
In Deutschland gibt es bereits sieben Plattformen, auf denen das möglich ist:
Auf caritative Projekte hingegen hat sich betterplace.org spezialisiert, auf Internet-Startups die Plattform
In loser Folge stellen wir zentrale Projekte und/oder die Macher auf diesen Plattformen vor.
Die Idee klingt verführerisch: statt sich durch komplizierte, ineffektive Förderanträge, undankbare Plattenlabels oder aufreibende Nebenjobs ein Projekt zu finanzieren, gibt man dem Publikum die Möglichkeit, als Mäzen aufzutreten und Gutes zu tun für die Kunstproduktion. Dafür erhalten sie kleine Aufmerksamkeiten, je nach Projekt eine Special Edition der CD, ein paar exklusive Einblicke – und das Gefühl, von Anfang an dabeigewesen zu sein.
Einige der meistzitierten Erfolgsgeschichten des Croudfunding sind so entstanden: Zuallererst die Band Marillion, das war 1997. Damals hatte das Management der Band eine US-Tournee ausgeschlossen, woraufhin sich dortige Fans zusammentaten und 61.000 Dollar spendeten, um die Tour doch noch möglich zu machen: sie wurde ein Erfolg. Die folgenden Platten ließ die Band sich komplett von ihren Anhängern vorfinanzieren.
2009 ahmte Public Enemy das Modell nach und erhielt 59.100 Euro – ursprünglich waren 250.000 US-Dollar angestrebt worden. Aktuell läuft die Spendenaktion zur schwedisch-australisch-deutschen Filmproduktion Iron Sky: von den eingeplanten 900.000 Euro sind bisher 45 Prozent in der Kasse. 2012 soll der Film dann kommen.
Erfolgsmodell "Bar 25"
Auch Inkubato wartet mit einer großen Erfolgsstory auf: fast 27.000 Euro spendeten 271 Unterstützer für einen Dokumentarfilm über die legendäre Berliner "Bar25", der ebenfalls 2012 starten soll. "Ich war am Anfang ja eher skeptisch, ob der Betrag nicht zu hoch angesetzt ist", so Konrad Lauten, der früher auch dem Team der "Bar25" angehörte. "Aber die Community war unglaublich."
Zwei Dinge haben den Erfolg der Aktion befeuert: Erstens, das enorme Renommee, die gute Vernetzung der Filmmacher und die emotionale Bindung des Publikums an die "Bar25", die ja ein mysthischer Ort des Berliner Nachtlebens gewesen ist. Und zweitens die Bereitschaft des Teams, sich intensiv mit den Fans, der Community auseinanderzusetzen. "Crowdfunding ist kein Selbstläufer", sagt Lauten, "da steckt viel Arbeit drin".
Schätzungsweise zehn bis zwölf Stunden die Woche, über drei Monate hinweg, das wäre der Arbeitsaufwand, den man bei so einem Budget einplanen müsste. "Die Selbstdarstellung des Künstlers ist von enormer Bedeutung", so Lauten, "das beginnt schon mit einem gut gemachten Video." Das "Bar25"-Video hatte zum Abschluss der Aktion "zwischen zwanzig und dreißigtausend Views, und davon haben dann 271 Leute gesagt: das unterstütze ich jetzt."
Und da liegen wohl auch die Grenzen des Crowdfunding in der Kultur: denn unzugängliche, spröde und introvertierte Künstler mag das Netz nicht, so lange sie nicht schon bekannt sind. "Einerseits ist es ja gut, dass sich die Künstler nicht vereinnahmen lassen", sagt Lauten, "aber andererseits hängt diese Art von Finanzierung eben doch sehr stark von der Selbstdarstellung ab."
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