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Serbien verschärft den Konflikt in Kosovo

■ Die Autonomierechte der mehrheitlich von Albanern (90 Prozent) bewohnten und zu Serbien gehörenden Provinz wurden abgeschafft Mit diesem Affront ist eine gefährliche Lage entstanden / Serbische Regierung hat Juristen Milos Sekulovic als Statthalter eingesetzt

Belgrad (dpa/taz) - Wegen der „anhaltenden Spannungen“ in der mehrheitlich von Albanern bewohnten und zu Serbien gehörenden Provinz Kosovo hat das Parlament Serbiens am Dienstag ein Gesetz verabschiedet, das die Autonomie der Provinzbehörden praktisch aufhebt. Damit ist für die Region eine politisch äußerst angespannte Lage geschaffen worden. Wie das Belgrader Fernsehen berichtete, trat diese Maßnahme in der Nacht zum Mittwoch in Kraft.

Die albanischen Abgeordneten Kosovos im Parlament verließen aus Protest gegen diesen Beschluß den Saal. Ein solches Gesetz verstoße gegen die Verfassungen des jugoslawischen Bundes, Serbiens und Kosovos, das zu Serbien gehört, hieß es zur Begründung. Dem Gesetz zufolge, das in Kosovo eine „Situation außerordentlicher Umstände“ proklamiert, kann künftig die serbische Regierung eingreifen, wenn „organisierte Aktivitäten die Verfassungsordnung stürzen wollen“ und die „territoriale Integrität“ Serbiens bedrohen. Da die örtlichen Behörden „unfähig“ seien, Ordnung und Recht in der Provinz aufrechtzuerhalten, würden die Behörden der Republik Serbien die notwendigen Maßnahmen treffen.

Mit diesem Entschluß erreicht die 1987 begonne serbische Kampagne gegen die Autonomierechte der Provinz mit ihrer albanischen Bevölkerungsmehrheit ihren vorläufigen Höhepunkt. Erst im Februar dieses Jahres waren mehr als 50 Kosovo-Albaner während der Repressionsmaßnahmen von Polizeitruppen erschossen worden.

Kurz vor dem Beschluß Serbiens hatten albanische Abgeordnete des Bundesparlamentes die Staats- und Regierungsspitze Jugoslawiens aufgefordert, der serbischen Machtübernahme durch die Aufhebung der früheren Autonomie des Kosovo entgegenzutreten. Doch diese Intervention führte bisher noch zu keinem Resultat. An den Äußerungen des slowenischen Staatspräsidenten Kucan, der die volle staatliche Souveränität und die vollständige Unabhängigkeit Sloweniens vom jugoslawischen Staatsverband forderte, ist eher eine andere Tendenz abzulesen. Die nördlichen Republiken, Slowenien und Kroatien, hatten bisher die Demokratisierungsversuche im Kosovo unterstützt und damit der albanischen Bevölkerungsmehrheit den Rücken gestärkt.

Ungeachtet aller Proteste beschloß das serbische Parlament darüber hinaus eine Zwangsverwaltung für die Stromversorgung im Kosovo. Das Management des E-Werkes wurde ebenso abgesetzt wie der Arbeiterrat als höchstes Verwaltungsorgan. Die Elektrowirtschaft ist von Serbien seit Jahren beschuldigt worden, „ein Zentrum albanischer Separatisten und Nationalisten“ zu sein. Der größte Stromlieferer der Provinz, „Elektrokosovo“ weigert sich tatsächlich mit dem entsprechenden Unternehmen in Serbien zu fusionieren.

Die albanischen demokratischen Parteien hatten mehrfach die Bundesregierung aufgefordert, den Demokratisierungsprozeß, der in ganz Jugoslawien begonnen hat, auch in Kosovo zuzulassen. Dann sollte im Rahmen von allgemeinen Wahlen über die Zukunft der Provinz abgestimmt werden. Sezessionsforderungen hatten die Organisationen nicht erhoben. Vor einigen Tagen haben die albanischen Abgeordneten, die der Kommunistischen Partei angehören, im Kosovo-Parlament jedoch gefordert, die Region müsse durch die Ausarbeitung einer eigenen Verfassung von Serbien gelöst werden.

Serbien hat zur Ausübung der Macht in der südjugoslawischen Provinz Kosovo den Juristen Milos Sekulovic eingesetzt. Er werde der „Direktion für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt Kosovos“ vorstehen, berichtete am Mittwoch die größte serbische Zeitung 'Politika‘ auf der Titelseite.

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