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Archiv-Artikel

Serbien lässt zweite EU-Frist zur Festnahme von Mladić verstreichen Europa ist weit

Am Wochenende verstrich die zweite Frist, und wieder ist es der serbischen Regierung nicht gelungen, den Exgeneral Ratko Mladić dingfest zu machen. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Mladić sich noch immer in Serbien befindet. Und die serbische Regierung scheint durchaus zu wissen, wo er sich aufhält. Sonst hätte man nicht über Monate die Information gestreut, man verhandele mit ihm über die Auslieferung ans UN-Kriegsverbrechertribunal und biete ihm dafür 5 Millionen Euro an.

Das kann nur heißen, dass die serbische Regierung nicht ernsthaft handeln will. Sie will es nicht, weil sie noch immer abhängig ist vom Wohlwollen der Sozialisten, der einstigen Milošević-Partei. Glaubt man den Demoskopen, könnte die Koalition von Präsident Koštunica bei Neuwahlen sogar von einer Koalition der Sozialisten mit der rechtsextremen Radikalen Partei abgelöst werden – von Parteien also, die sich offen gegen die Auslieferung des Gesuchten gewandt haben. Es scheint, also ob sich die Regierung da nicht gegen eine in der Bevölkerung weit verbreitete Stimmung stellen will.

Jetzt rächt es sich, dass das liberale und proeuropäische Lager in Serbien vorwiegend taktisch argumentiert hat. Man müsse Mladić ausliefern, um den Fuß in die EU zu bekommen, so der Tenor. Kaum jemand sprach darüber, dass Mladić, Karadžić und Milošević auch Serbien in die Katastrophe geführt haben, kaum jemand über die Verbrechen der ethnischen Säuberung und die Notwendigkeit, diese Vergangenheit zu bewältigen.

Die nationalistische Propaganda wirkt nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch bei vielen Demokraten nach. Deshalb knickt die Regierung immer wieder gegenüber den Rechten ein. Die demokratischen Kräfte in Serbien müssen deshalb endlich Klartext reden – weil es um die Zukunft des Landes geht. Doch auch für die Gespräche der EU über ein Assoziierungsabkommen muss das Verhalten der serbischen Regierung Folgen haben: Sie sollten bis auf weiteres abgebrochen werden. Denn wenn sich die serbische Gesellschaft nicht von ihrer Vergangenheit löst, was will sie dann in Europa?

ERICH RATHFELDER