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Serbien: Milosevićs Partei ist gespalten

■ Der Erosionsprozeß in der Partei des bislang allmächtigen Präsidenten beginnt/ Opposition: „Deine Zeit ist vorbei“

Belgrad (ap/taz) — Der Druck auf den serbischen Präsidenten Slobodan Milosević nimmt weiter zu. Nun hat die Kritik an Milosević angesichts der Isolierung des Landes auch die regierende Sozialistische Partei erreicht. Eine Gruppe von zwölf Abgeordneten des serbischen Parlaments kündigte nach Angaben der Belgrader Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ am Dienstag die Bildung einer Sozialdemokratischen Partei Serbiens an. Die Abgeordneten erklärten, sie hätten für die Bildung der neuen Fraktion die Unterstützung von weiteren 38 Mandatsträgern der Sozialistischen Partei. Der sozialdemokratische Flügel, der sich schon in den Vormonaten durch Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung profiliert hatte, könnte nun auch im parlamentarischen Rahmen die Macht des Präsidenten beschneiden. Eine Abspaltung unter Mitnahme des Mandats hat es in der Milosević-Partei bisher nicht gegeben. Die Serbische Sozialistische Partei hält im Republikparlament 198 von 250 Sitzen. Mit einem Verlust der Zweidrittelmehrheit (167 Mandate) kann sie verfassungsändernde Gesetze nicht mehr allein beschließen. Formelle Koalitionen mit anderen Parteien bestehen zwar nicht, doch noch verfügt Milosević auch über Anhänger in anderen Parteien. Dennoch wird der Erosionsprozeß innerhalb der Sozialistischen Partei in Belgrad als höchst bedeutsam interpretiert.

Bisher war es dem Präsidenten immer wieder gelungen, die unterschiedlichen Strömungen des ehemaligen Bundes der Kommunisten auf einen Minimalkonsens zu verpflichten. Und dieser bedeutete vor allem, die Macht zu erhalten.

Erneut forderte auch die Intellektuellengruppe „Depos“ (Demokratische Bewegung Serbiens) wie schon zuvor die orthodoxe Kirche den Rücktritt des Präsidenten. In einer scharf formulierten Erklärung dieser Gruppe der serbischen Elite hieß es: „Der Todeskampf Serbiens macht deinen Rücktritt unausweichlich. Deine Zeit ist vorbei, du mußt von dir aus gehen.“ Weiter wurde gewarnt: „Bürgerkrieg in Serbien ist das einzige Übel, was uns bisher erspart blieb. Ob du einen solchen Krieg mit deinem Verbleib im Amt förderst oder verhinderst, ist nicht schwer zu beantworten.“ Schon vor einer Woche hatte der bekannte Vizepräsident der Demokratischen Partei, Zoran Djindic, vor einem Bürgerkrieg in Serbien gewarnt. Depos kündigte für den 21. Juni eine Demonstration in Belgrad an, um der Rücktrittsforderung Nachdruck zu verleihen.

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