■ QUERBILD: Sensin – Du bist es!
Mann trifft Frau. Er verliebt sich auf den ersten Blick – und vergeigt es. Am Schluß aber kommen sie, wenn uns unsere Augen nicht täuschen, doch zusammen. Das ist wohl die banalste Filmhandlung der Welt. Würde man sie einem Filmproduzenten erzählen oder bei der Filmförderung einreichen, außer reichlich hochgezogenen Augenbrauen gäbe es nichts zu ernten.
Allerdings sind manche Filmproduktionsfirmen anders als andere, und auf jeden Fall anders ist die Hamburger Firma Wüste-Film (bei der auch Lars Becker seine Einblicke in die bundesdeutsche Kriminellenwelt realisiert). Sie hat den Filmregisseur (mehr in spe denn in Wirklichkeit, wobei sich das bald ändern könnte) Fatih Akin Sensin – Du bist es drehen lassen, einen Film, der sich um nichts anderes als um die skizzierte Mann-Frau-Handlung dreht. Und es war gut so. Denn erstens kommt es immer noch darauf an, wie sich was dreht, und zweitens beinhaltet Sensin eine ganze Reihe von amüsanten und lehrreichen Verschiebungen.
Der Mann ist nämlich Türke. Und die Frau, in die er sich verlieben kann, muß folgende Eigenschaften vereinen: Sie muß einen Ring in der Nase haben, Doc-Martens-Stiefel tragen, auf Robert de Niro stehen, ab und an Hasch rauchen und die Punkband Dackelblut mögen. Und sie muß – er wisse auch nicht genau, warum, sagt der Mann, aber es sei eben so – sie muß Türkin sein. „Sie muß also genau so sein wie du“, sagt ein Freund. Und der Mann sagt: „Genau. So wie ich, wenn ich eine Frau wäre.“ Kürzlich hat er sich eine Glatze schneiden lassen.
Wer jetzt eine Lehrstunde in Multikulturalismus erwartet, hat nichts verstanden. Sensin erzählt, zu lustigen Klischees verdichtet, eine Episode, wie sie auf St. Pauli oder im Schanzenviertel tagtäglich passieren könnte, tatsächlich aber leider nicht alle Tage passiert. Das Ganze kleidet Fatih Akin in einen in die Gegend passenden Hardcore/Freakpunk-Schick, dreht es leicht durch die Tarantino-Maschine (viel Dialog/plötzliche Situationskomik) und löst es gleichzeitig in ein kluges Schema aus Vor- und Rückblenden auf. Was so entstanden ist: eine deutsche Komödie, die nicht im verlogenen Spießer-wie-kriegt-der-Zahnarzt-die-Pianistin-rum-Wunderland spielt, sondern in der realen Kneipenwelt, wie wir sie kennen. Lustig. Intelligent gemacht. Sehenswert. Wobei wir bis jetzt eine Kleinigkeit aufgespart haben, weil sonst sowieso keiner weitergelesen hätte: Sensin ist kein abendfüllender Film. Er dauert gerade mal elf Minuten. Vielleicht hätte man das vorher erwähnen sollen. Aber bei einer Sache, die Talent beweist, sind Tricks erlaubt. Sensin – Du bist es ist im Abaton zu sehen. Dort läuft er täglich außer dienstags und freitags in den Spätvorstellungen als Vorfilm zu Blue in the Face.
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