Senat will wieder ins Gasgeschäft einsteigen: Berlin will seinen Goldesel zurück
Der Senat überlegt, wieder ins Gasgeschäft einzusteigen - und so mehr Einfluss auf Geschäftspolitik und Klimaschutz der Gasag nehmen zu können.
Berlin will wieder im Gasgeschäft mitmischen. Die Senatsverwaltung für Finanzen prüft derzeit, ob das Land Teile der Gasag zurückkaufen kann. Dabei geht es um einen Anteil von 31,57 Prozent, den der Stromkonzern Vattenfall veräußern will. Zwar sei das Land von Vattenfall nicht als möglicher Bieter angesprochen worden, "doch wir prüfen - ohne Ideologie oder ordnungspolitische Fahne im Wind -, welche Vorteile ein Anteilskauf für das Land hätte und wie dieser zu finanzieren wäre", sagt Sprecher Clemens Teschendorf.
Rund 500 Millionen Euro würde das Anteilspaket kosten. Berlin hatte 1998 die Gasag für rund 1,2 Milliarden privatisiert. Vor allem die Linke macht sich seit Langem für eine Rekommunalisierung von Betrieben wie der Gasag stark. "Unser Ziel ist es, wieder Einfluss auf die Preisgestaltung und die Klimaschutzpolitik des Konzerns zu bekommen", sagt Jutta Matuschek, haushaltspolitische Sprecherin der Linken.
Fraglich bleibt indes, ob Berlin wirklich zum Zuge kommen wird. Denn als Mitbieter gilt Europas größter Gaskonzern Gaz de France Suez (GDF). Das Unternehmen, dessen Hauptanteilseigner der französische Staat ist, will sich zu seinen Verkaufsplänen bisher nicht äußern. Doch unter Experten gilt als wahrscheinlich, dass Vattenfall GDF als Käufer ins Auge gefasst hat. Auch soll GDF an einer Übernahme interessiert sein, um sein Deutschland-Geschäft auszuweiten und mithilfe der Gasag bundesweit Gas zu verkaufen.
"Gaz de France hat eine extrem günstige Ausgangsposition", sagt der energiepolitische Sprecher der Grünen, Michael Schäfer. Der Konzern hält bereits knapp ein Drittel an der Gasag. Zudem will auch der dritte Gasag-Eigentümer, die Eon - über ihre Stadtwerketochter Thüga - ihren Anteil veräußern. Würde GDF bei einem der beiden Verkäufe zuschlagen, hätte der als rein gewinnorientiert geltende Konzern damit die Mehrheit bei der Gasag. Berlin hätte laut Schäfer bestenfalls eine Sperrminorität, mit der der Einfluss des Landes wahrscheinlich nicht besonders groß wäre. Für Schäfer hat die Debatte um die teilweise Rekommunalisierung daher auch "den Hauch, vor der Bundestagswahl die linke Karte zu ziehen". Es fehlten klare Konzepte, was man mit dem Wiedereinstieg ins Energiegeschäft erreichen wolle.
Der Senat erhoffe sich von mehr Mitspracherecht mehr Klimaschutz, einen diskriminierungsfreien Zugang zum Rohrleitungssystem und Preissenkungen, erwidert Linke-Politikerin Matuschek. "Völliger Quatsch", sagt dazu Gasag-Sprecher Klaus Haschker. Eine Klimaschutzvereinbarung zwischen Senat und Gasag bestehe bereits seit Ende der 90er-Jahre, die GDF seit Anbeginn mittrage. Auch der freie Netzzugang sei "kein Thema, das gibt es längst". Und Preissenkungen, so Haschker, würden das Unternehmen nur schwächen.
Wie Energieversorgung jenseits von Monopolisten aussehen kann, zeigt derzeit Hamburg. Der Stadtstaat hat einen eigenen Ökostromanbieter gegründet, Hamburg Energie, der ab Herbst Strom liefern und ab 2013 auch die Gasversorgung selbst übernehmen soll.
Berlin wird dagegen statt eines kommunalen Betriebes womöglich den französischen Staat als Kontrollorgan seiner Gasversorgung sehen.
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