■ Senat stimmt Transrapid zu: Vernunft Nebensache
Wäre Politik untrennbar mit Vernunft verknüpft, der Antrag stünde heute nicht auf der Tagesordnung des Bundesrats. Die als sicher geltende Mehrheit der Länderstimmen bekäme das Vorhaben erst recht nicht. Doch Politik ist oft genug, wenn man wider besseres Wissen mittut. In diesem Fall: Um den dicken Kanzler in Bonn bloß nicht zu verärgern, stimmt auch Berlin dem Transrapid zu. Weil es kein Argument für den teuren Schweber gibt und der Regierende Bürgermeister Diepgen dies weiß, läßt er blumige Worte ab: wichtiger Beitrag für die Stärkung des Forschungs- und Industriestandorts Deutschlands und wichtiges exportorientiertes Entwicklungsprojekt. Was das mit Berliner Interessen zu tun hat? Eben! Entlarvende Anmerkung Diepgens: Berlin stimme zu, weil der Ausbau der Strecke nicht zu Lasten des Landeshaushalts gehe.
Damit ist alles gesagt zu einem technischen Projekt, bei dem in den letzten Jahren mit immensem Aufwand vor allem eines bewiesen wurde: daß es völlig überflüssig ist. Auf der vom Kanzler ausgeguckten Pilotstrecke zwischen Hamburg und Berlin wird es niemals jene kostendeckende Zahl von Fahrgästen geben, von denen die Transrapid-Industrie fabuliert. Dafür aber verzichtet die Bundesbahn auf die geplante ICE-Verbindung nach Hamburg, die als einzige eine schnelle Verbindung von Zentrum zu Zentrum garantiert. Beim Transrapid hingegen ist klar, daß in Hamburg wie in Berlin die Stelzen vor der Stadt enden werden, weil eine Weiterführung ins Zentrum sowohl unbezahlbar als auch stadtunverträglich ist. Draußen heißt es dann umsteigen auf die BVG – womit der angebliche Zeitvorteil perdu ist. Weshalb Diepgen dem Irrsinn auf Stelzen zustimmt, mögen CDU-Parteifreunde noch nachvollziehen können. Warum aber der Senatspartner SPD mittut und mitten im Wahlkampf Kanzler Kohl grünes Licht für sein Spielzeug geben möchte, bleibt Geheimnis der Sozialdemokraten. Gerd Nowakowski
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