Sekte: Scientology auf dem Schirm
Die Innenminister der Länder prüfen ein Verbot der Psychosekte. In Berlin, wo sie ihren Sitz hat, wird der Vorstoß skeptisch gesehen. Selbst Körting relativiert den Beschluss: Aufklärung sei wichtiger.
Für ihre Niederlassungen wählt die Sekte Scientology in der Regel frequentierte Standorte. In New York liegt sie in unmittelbarer Nähe des Times Square, in Toronto auf der quirligen Yongestreet. Und ihre Weltzentrale in Los Angeles befindet sich auf dem berühmten Sunset Boulevard in Hollywood. Der Deutschlandsitz in der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee ist ebenfalls keine schlechte Adresse. Gemein ist all diesen Zentralen vor allem eins: Obwohl täglich hunderte Passanten daran vorbeilaufen, sind sie von innen meist menschenleer.
Für die Innenminister der Länder und des Bundes stellt die Psychosekte dennoch eine Bedrohung dar. Unter der Leitung von Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) einigten sich die Ressortchefs bei ihrer Konferenz am Freitag darauf, sie noch stärker ins Visier zu nehmen. Die Innenminister beauftragten ihre Verfassungsschutzämter damit, verstärkt Informationen zu sammeln, die ein Verbot der Organisation tatsächlich begründen könnten. Auch Körting stimmte dem zu.
Dabei hatte der Innensenator noch vor einem Jahr auf entsprechende Urteile des Berliner Verwaltungsgerichts verwiesen, die eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht erlaubte - obwohl seiner Aussage nach die Schriften des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard "mit dem Menschenbild des Grundgesetzes, mit der Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen und damit mit unserer verfassungsmäßigen Ordnung nicht vereinbar" seien. Doch vor einem Jahr hätten die tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Aktivitäten nicht vorgelegen. Dies scheint Körting nun anders zu sehen: In einem Zeitungsinterview sagte er: "Die Situation in Berlin hat sich dadurch ein bisschen geändert, dass Scientology dieses Gebäude an der Otto-Suhr-Allee bezogen und viele Aktivitäten entwickelt hat."
Dirk Behrendt, rechtspolitischer Experte der Grünen im Abgeordnetenhaus, versteht den Sinneswandel des Innensenators nicht. Trotz Drucks der CDU habe sich Körting zu Recht bisher geweigert, Scientology zu bewachen. "Jetzt ist er nicht nur eingeknickt, sondern will die CDU auch noch überholen", sagte Behrendt der taz. Ein Verbot habe die Berliner CDU bisher nicht gefordert.
Behrendt plädiert zwar ebenfalls dafür, die Gefahren, die von der Sekte ausgehen, verstärkt im Blick zu behalten. Auf geheimdienstliche Methoden solle aber verzichtet werden. Aufklärung an Schulen sei wesentlich sinnvoller. Und auch Firmen müssten besser informiert werden, damit nicht so etwas passiert wie bei der Fußball-WM vor einem Jahr. Damals hatte die Deutsche Bahn AG der Sekte gestattet, mit einem großen Zelt vor dem Hauptbahnhof für sich zu werben. Ein Verbotsverfahren werte Scientology aber nur unnötig auf, sagte Behrendt.
Körting relativierte den IMK-Beschluss am Wochenende aber auch selbst: Scientology sei auch weiterhin nicht primär eine Sache des Verfassungsschutzes, der Schwerpunkt liege bei der Immunisierung, sagte er in dem Interview. Dies geschehe vor allem über Aufklärung. Und er gab zu: In der Berliner Gesellschaft habe Scientology nach wie vor eine "völlig untergeordnete Bedeutung".
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