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■ Sehr zum Wohle: SpreewaldgurkenweinPfefferschote, Lorbeer und Dill

Vor vielen Jahren, so die Legende, wollten Sorben im Spreewald eine Hochzeit feiern. Und wie es bei einer sorbischen Hochzeit Brauch ist, sollte eine ordentliche Erdbeerbowle die Gäste erfreuen. Doch der Sommer war dermaßen verregnet, daß die Erdbeeren verfault waren, bevor man sie ernten konnte. Ein pfiffiger Sorbe schlug in dieser fatalen Situation vor, statt der Erdbeeren doch einfach Gurken zu nehmen. Man schälte also die Gurken, die man reichlich im Spreewald fand, zerschnitt sie und legte die einzelnen Scheiben in Honig ein. Aufgeweicht, wurden die Gurken schließlich dem Wein hinzugegeben: Der Spreewaldgurkenwein war erfunden und fortan traditioneller Hochzeitstrunk.

Das seltsame Getränk wurde leider bald vergessen. Hin und wieder tranken es zwar die Leute im Spreewald, die Städter aber hielten nichts von derlei bäuerlichem Firlefanz. Das soll sich nun ändern.

Diesen Sommer unternahm Werner Niklewski (50), Küchenchef der „Zitadellen Schänke“ in Berlin-Spandau, eine Kahnfahrt durch den Spreewald. Der Bootslenker erzählte dem aufgeschlossenen Gastronom die Geschichte des Spreewaldgurkenweins. Sichtlich beeindruckt von der Sage, beschloß Werner Niklewski, das Getränk einmal selbst herzustellen. Überzeugt vom Geschmack, bietet er den erfrischenden Trunk seither auch in seinem Wirtshaus an.

Allerdings hat er die Rezeptur ein wenig verändert. Der Spreewaldgurkenwein à la Niklewski wird nämlich folgendermaßen zubereitet: Man nehme einen trockenen Riesling, Honigwein, Gurken aus dem Spreewald, eine Pfefferschote, ein Lorbeerblatt und ein Büschel Dill. Die zerkleinerten Gurken werden im Honigwein mazeriert und dann mit dem Riesling aufgegossen. Die Pfefferschote, das Lorbeerblatt und ein wenig Dill verfeinern den Geschmack des Spreewaldgurkenweins. Das Gebräu nun ein paar Stunden ziehen lassen, danach werden die Pfefferschote, das Lorbeerblatt sowie der Dill entfernt. Wer mag, kann jetzt noch einen Schuß Sekt hinzugeben. Endlich darf der Spreewaldgurkenwein serviert werden.

Die Spreewaldgurkenweintrinker seien allerdings gewarnt: Mit Spreewaldgurkenwein sollte man sich nicht betrinken. Das vertragen Kopf- und Geschmacksnerven nicht, als eisgekühlter Aperitif vor einem deftigen Mahl ist der Spreewaldgurkenwein jedoch ideal. Dazu reicht man am besten Baguette mit Kräuterbutter und kleinen Scheiben der Gatower Kugel.

Wem das zu kompliziert ist, dem sei ein Besuch in der „Zitadellen Schänke“ empfohlen, die sich neben dem Spreewaldgurkenwein auf mittelalterliche Speisen spezialisiert hat. Eigentlich, erklärt Niklewski, seien die Gerichte des Mittelalters ungenießbar. Doch der kundige Koch ist in der Lage, ein „Sauf- und Freßgelage nach dem Ritual anno 1516“ zu zelebrieren, das auch die verwöhnten Mäuler unserer Zeit nicht überfordert.

Im übrigen sorgen in der „Zitadellen Schänke“ „Hausgesind' und Märchenfee“ oder „Minnesänger, Gaukler, Feuerschlucker, Spielleut', Mägde und Quacksalber“ für die nötige Unterhaltung. Normalerweise will man beim Essen ja nicht gestört werden. Doch wer schon auf Mittelalter steht, der wird sich auch über die Erlebnisgastronomie hinter Festungsmauern freuen.

Angefangen haben Werner Niklewski und sein gleichaltriger Partner Gerd Ziegler in der Spandauer Zitadelle mit einem noblen Restaurant. Doch die Berliner bevorzugten einen zünftigen Spießbraten plus „Met aus dem Bullenhorn“. Die „Küchenmeisterey Niklewski & Ziegler“ kann sich jedenfalls seit dem Programmwechsel über mangelnde Kundschaft nicht beklagen: Vom Regierenden Bürgermeister bis zum Laubenpieper sind alle Berliner von den Tafelfreuden beeindruckt. Manche verbringen dort sogar das Weihnachtsfest „bei Kerzenschein und Bänkelmusik“. Darauf einen Gurkenwein. Carsten Otte

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