Göteborgs-Posten 1 : Sehr skanseatisch
taz-Autor Markus Flohr ist auf der Suche nach dem Norden im Norden. Dafür hat er sich auf den Weg nach Schweden gemacht und geprüft, was dem Begriff hanseatisch zugrunde liegt und dabei festgestellt, dass es eigentlich skanseatisch heißen müsste.
Manche Menschen behaupten, Städte wie Hamburg, Bremen oder Lübeck wären besser in Skandinavien aufgehoben, und die Betonung des „Hanseatischen“ sei eine Art Codewort hierfür. Gefüllt wird der Code mit allem, was in Skandinavien gut aussehen könnte oder eben nett. Meinen manche.
In Wirklichkeit beruhen diese Einschätzungen allerdings auf einer glücklichen Reihung von Missverständnissen und positiven Vorurteilen über Schweden und die Schweden, Dänemark und die Dänen, Norwegen und die Norweger. Dass Island auch skandinavisch ist und Finnland keinesfalls, wissen die meisten schon gar nicht mehr. Auch nicht, dass es von Hamburg nach Malmö, also auf das schwedische Festland, eine Zugverbindung gibt. Zwischendurch fährt der Zug auf eine Fähre – aber auch schnell wieder herunter. Dann geht es nach Kopenhagen und über die Öresund-Brücke nach Schweden.
Dieses Mal bin ich dabei, als der Zug in Malmö den Bahnhof wieder verlässt und die Küste hoch Richtung Göteborg rauscht. Ich frage mich, ob ein Hamburger in Skandinavien besser aufgehoben ist als in Norddeutschland oder ob das alles nur auf einer Reihe von positiven Vorurteilen ... Eine Schaffnerin geht nach jedem Stopp einmal durch das Abteil. Sie sieht aus wie ich mir die Lehrerin vorgestellt habe, mit der Pippi Langstrumpf immer Probleme hatte. Es ist Abend, draussen dunkel und hier drinnen so voll mit Menschen, wie mein Kopf mit Vorurteilen.
Göteborg stelle ich mir vor wie Hamburg: die zweitgrößte Stadt des Landes, Gegenpol zur Hauptstadt, liegt an der See, großer Hafen, Medienstadt, Rockmusik, bald bin ich auch da. Ich frage: Ist Göteborg wie Hamburg? „Ja“, blinzelt meine skandinavische Begleitung, „... genau wie Hamburg. Nur anders.“ Das ist skanseatisch.Markus Flohr