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■ Kann die Viertagewoche wirklich Arbeitsplätze retten?Sehnsucht nach der einfachen Lösung

In wirtschaftlichen Krisenzeiten haben einfache Lösungsvorschläge immer etwas Bestechendes. Die Sehnsucht, mit einem Hieb den gordischen Knoten ökonomischer Verstrickungen zu zerschlagen und damit einer besseren Gesellschaft den Weg zu bahnen, ist stark. Derzeit gibt es dafür kein besseres Beispiel als den Vorschlag des VW-Vorstandes, die Viertagewoche einzuführen. Noch ist nichts abgestimmt mit dem Betriebsrat und der IG Metall, schon aber jubeln bürgerliche Medien ob des Arbeitgeber-Vorschlags: Revolution! Die Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich – denn nur darum handelt es sich letztendlich – wird plötzlich diskutiert, als wäre vorher noch nie jemand drauf gekommen, auf diese Weise mehr Beschäftigung zu erreichen.

Aber sind die VW-Pläne tatsächlich auf andere Unternehmen, auf eine höhere gesellschaftliche Ebene übertragbar? Ist das ein Modell, das Signalwirkung haben könnte für eine neue, gerechtere Arbeitsumverteilung? Jobs für alle, wenn nur jeder ein bißchen auf Geld und Konsum verzichten würde? Der utopische Gehalt der Idee ist groß, daher auch die Medienwirksamkeit. Die Wirklichkeit aber stellt sich nüchterner dar. VW ist ein Konzern in tiefer Krise, Massenentlassungen sind angekündigt. Die Krise des Betriebes aber bindet Management und Belegschaft in ihren Interessen enger aneinander. Die Beschäftigten nehmen dem VW-Vorstand jetzt das Argument ab, alles geschehe ja auch, um weitere Massenentlassungen (und teure Abfindungen und Sozialpläne) zu verhindern. Von einer Arbeitsumverteilung kann bisher keine Rede sein. Es ist keine Solidarität, sondern die nackte Angst ums eigene Überleben, die bei der Belegschaft vielleicht für Akzeptanz des Vorschlags sorgen wird. Aus solcher Angst aber lassen sich keine Utopien stricken, will man nicht zum Zyniker werden.

Auf einer gesamtwirtschaftlichen Ebene ist solches Zusammenwirken zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten kaum vorstellbar: denn wer könnte kontrollieren, ob Maßnahmen zur Kostensenkung, wie Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverzicht, tatsächlich notwendig sind oder gar in mehr Beschäftigung umgesetzt würden? Solche Verkettungen waren selbst anhand der schon umgesetzten Arbeitszeitverkürzungen nur begrenzt nachweisbar. Und damals herrschten noch bessere Zeiten. So ganz von oben, mit politischen Mitteln, wie in Frankreich diskutiert, läßt sich bei der hierzulande geltenden Tarifautonomie in Sachen Arbeitszeit ohnehin nichts machen. Daher bleibt nur eine nüchterne Bilanz: Der VW-Vorschlag ist ein Rationalisierungsversuch für Betriebe in Not. Eine neue soziale Utopie ist er nicht. Barbara Dribbusch

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