■ beiseite: SehSüchte
Die letzte Chance, die Filmemacher des Jahres 2000 vor dem Durchbruch zu erleben, avisieren uns die Veranstalter der 28. Internationalen Studentenfilmtage der Filmhochschule „Konrad Wolf“ in Potsdam. Ginge es tatsächlich darum, könnte man sich den Gang nach Babelsberg vermutlich sparen. Zumindest im deutschen Filmgeschäft führt der Weg zum Erfolg doch eher selten über die Akademie, ein unhaltbarer Zustand, der aber am Freitag durch eine Podiumsdiskussion mit Schlöndorff und Sönke Wortmann über „Sinn und Nutzen filmischer Hochschulausbildung“ gottlob behoben sein wird.
Doch in Wahrheit geht es bei den „SehSüchten“ natürlich um die Präsentation von vielen, meist erfrischend kurzen Filmen aus aller Welt vor einem großen Publikum, eine Internationalisierung des studentischen Kampfes um die einschlägigen Kontakte und nicht zuletzt um fette Preise.
Wie überhaupt der finanzielle Rahmen des Sechstagetreffens als gehoben und das Programm als opulent bezeichnet werden kann. Die jeweils zweistündigen Filmvorführungen werden begleitet von Diskussionen am Morgen und Partys am Abend, bei denen internationale DJs oder die Elektroniker von „Milch“ den „Filmemacher Groove“ einschenken.
Außen vor bleibt der nichtakkreditierte Filmfan nur bei der heutigen Eröffnungsveranstaltung und den täglichen Workshops, die hier aber „Pitching“ heißen. Was das ist? Ein Pitch gibt dem Filmstudenten oder Absolventen die einmalige Gelegenheit, einem professionellen Publikum von Produzenten und Verleihern in fünf Minuten seine Projekte vorzustellen. Fünf Minuten zwischen Sein und Nichtsein, das führt unweigerlich zum Fever Pitch, und da dürfen die Pitcher gerne unter sich bleiben.
Die 136 Filme, die die Studentenschaft dieses Jahr aus über 600 Einsendungen ausgewählt hat, werden quer durch alle Genres in zwanzig Themenblökken präsentiert, die Titel haben wie „BlümchenseXXX“, „Ill Communication“, „Schöner wohnen“ oder auch „Zartbitter“. Alles deutet auf eine sehr vergnügliche Leistungsschau, vom schwarzweißen Experimental- bis zum knallbunten Animationsfilm ist wohl alles dabei. Dabei liegt es den Veranstaltern am Herzen, zu zeigen, daß erst das Experiment die gute Unterhaltung möglich macht, was vermutlich der Grund dafür ist, daß man, außer im Gastgeberland, vor allem im befreundeten sozialistischen Ausland fündig wurde.
Viele Filme aus dem Baltikum, aus Rumänien und Kuba sind zu sehen, aber auch Israel, Kanada oder gar die USA dürfen mitmachen, schließlich sind die „SehSüchte“ ja nicht mehr die „FDJ Studententage“ von einst.
Das Kardinalproblem studentischen Filmens scheint übrigens gelöst. Man wundere sich nicht, wenn statt des versammelten Freundeskreises des Regisseurs mal ein richtiger Schauspieler, bekannt aus Film und Fernsehen, oder eine allseits beliebte Volksbühnenmimin über die Leinwand flimmert! Philip Bühler
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