Science Slams in Deutschland: "Skrupellose Spezialisten"
Poetry Slam war gestern. Das neue Ding heißt Science Slam. Warum sich junge Wissenschaftler auf die Bühne stellen und wie sie mit ihrer Forschung unterhalten, erklärt Julia Offe.
taz: Frau Offe, Sie organisieren in Deutschland Science Slams. Das klingt wie Poetry Slam auf Akademisch. Richtig?
Julia Offe: Ja, so könnte man es definieren. Wie beim Poetry Slam treten auch beim Science Slam Vortragende gegeneinander auf der Bühne an. Nur, dass es hier eben keine Literaten sind, sondern Wissenschaftler. Jeder hat genau zehn Minuten Zeit, seine Abschlussarbeit oder sein Forschungsprojekt einem Laienpublikum vorzustellen - und am Ende entscheiden die Zuschauer, welcher Vortrag der beste war.
Beim Poetry Slam gewinnt häufig der witzigste Performer, nicht unbedingt der interessanteste Text. Macht Science Slam Wissenschaft zur reinen Lachnummer?
Nein, das glaube ich nicht. Es gibt zwar Leute, die ihre Auftritte sehr unterhaltsam gestalten, aber wir teilen das Publikum vorher in Gruppen ein, die Wertungspunkte von 0 bis 10 vergeben und miteinander diskutieren sollen. Und da geht es vor allem darum, ob man den jeweiligen Vortrag überhaupt inhaltlich verstanden hat. Wer nur Klamauk macht, hat beim Science Slam keine Chance, zu gewinnen.
"Raus aus dem Elfenbeinturm, rein in die Popkultur", heißt die Parole der Science Slams. Also eine Bühnenshow mit Mission?
Na ja, vielleicht insofern, als es in Deutschland viel zu wenig Austausch zwischen Wissenschaftlern und Nicht-Wissenschaftlern gibt. Viele Forscher hocken immer noch abgeschirmt im Elfenbeinturm. Und deswegen kursieren auch die wildesten Gerüchte darüber, was sie angeblich so alles in ihren Laboren machen. Für viele Laien sind wir entweder skrupellose Spezialisten oder allmächtige Retter, etwa bei der Erforschung von Medikamenten gegen Krebs. Beide Vorstellungen haben aber nichts mit dem Wissenschaftsalltag zu tun. Ich glaube, hier fehlt deutschen Forschern einfach immer noch das Bewusstsein dafür, dass man der Gesellschaft gegenüber auch eine Mitteilungspflicht hat. Forschung verbraucht schließlich viel Steuergeld, warum sollte man der Öffentlichkeit da nicht öfter erklären, worum es im Kern geht? Hier herrscht bei Wissenschaftlern oft Angst, man würde Erkenntnissen nicht gerecht werden, wenn man sie für Laien vereinfacht. Und gerade unsere Science Slams zeigen, wie gut ein solcher Austausch funktionieren kann.
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