Schwul-lesbische Politik in Bayern: Warum München rosa regiert wird
Die Rosa Liste, die einzige schwul-lesbische Wählerinitiative in einem Stadtrat, wurde vor 20 Jahren gegründet. Ursache war die politisierte Aids-Debatte und ein klares Feindbild: die CSU.
MÜNCHEN taz Wenn Thomas Niederbühl vom München der 1980er-Jahre erzählt, klingt er selbst manchmal etwas ungläubig. Sein München war immer das homosexuelle München - und das hatte es damals alles andere als leicht.
1987 wurde bekannt, dass die Polizei noch "Rosa Listen" mit den Namen homosexueller Männer führte. "Wir galten wohl als kriminelles Milieu", wundert sich Niederbühl noch heute.
Ein knappes Dutzend schwuler Männer gründeten im September 1989, vor genau 20 Jahren, eine eigene Wählerinitiative. Mit dabei: der Student Thomas Niederbühl. "Weil sich die Aids-Diskussion in München damals so politisiert hat, gibt es die Rosa Liste", erinnert er sich heute, "es gab das klare Feindbild CSU."
1996 geling den Rosanen im dritten Anlauf der Einzug in den Stadtrat - als erster und bis heute einziger schwul-lesbischer Wählerinitiative in Deutschland. Mit 1,8 Prozent der Stimmen wird die Rosa Liste auch gleich zum Mehrheitsbeschaffer: Mit der einen rosa Stimme Mehrheit entsteht das rot-grün-rosa-Bündnis, das bis heute die Stadt regiert.
Seither hat sich viel getan: Ein Antidiskriminierungszusatz bei Stellenausschreibungen wurde schon 1999 zur Pflicht, eine "Städtische Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen" wurde eingerichtet, zahlreiche Projekte wie die Lesbenberatungsstelle werden von der Stadt finanziell unterstützt.
Die Rosa Liste hat "schwul-lesbische Themen" in die Stadtpolitik getragen, mit zwiespältigen Folgen für die Liste selbst: "Es ist natürlich ein Erfolg, dass wir mit unseren Themen bei allen Parteien angekommen sind", sagt Alexander Miklosy, "aber wir verlieren auch Stimmen an die anderen." Die Rosa Liste bekommt vor allem im Wahlkampf viel Unterstützung. Bei den letzten Stadtratswahlen kämpften stets 80 rosa KandidatInnen um die wenigen erwartbaren Mandate.
2007 konnte das selbstverwaltete schwul-lesbische Jugendzentrum "Diversity" eröffnen. "Ein schönes Bild für die junge Generation. Es war klar, dass die Jugendlichen das schwul-lesbisch gemeinsam machen wollten", sagt Rita Braaz aus dem Vorstand der Rosa Liste, "das wäre früher nicht so gewesen."
Das Jugendzentrum liegt am Rande des Glockenbachviertels, dort, wo sich die Community traditionell trifft. An der Hans-Sachs- und Müllerstraße wehen die Regenbogenfahnen. Von der Szene-Bar übers Reisebüro bis hin zur Sparkasse zeigt man das schwul-lesbische Symbol. Hier geht die Szene aber nicht nur aus - hier wird auch rosa gewählt. Im großen Innenstadtbezirk Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt erhielt die Rosa Liste bei den Wahlen 2008 insgesamt 12,9 Prozent - in einigen Straßenzügen dürfte es deutlich mehr gewesen sein.
Alexander Miklosy ist hier bereits seit 2002 Bezirksausschussvorsitzender - gewählt auch mit den Stimmen der CSU. "Als ich 1996 in den Bezirksausschuss kam, wurde ich noch als Exot betrachtet", sagt er, "das hat sich schon geändert." Dass das Viertel in den letzten Jahren zur hipsten Ecke Münchens geworden ist, hat aber auch für die Szene negative Folgen. Nicht nur, dass es am Wochenende von Junggesellenabschieden überschwemmt wird, vor allem die Aufwertung macht zu schaffen. Viele Kneipen musste schon schließen, erklärt Miklosy, "das ist schon signifikant". Auch Beratungsstellen könnten irgendwann von den steigenden Mieten bedroht sein. "Das Viertel ist unsere Identität", sagt Niederbühl, "das darf nicht verloren gehen." Er betont auch die Bedeutung für homosexuelle Jugendliche auf dem Land: "Das hat auch einen psychologischen Effekt. Die wissen: Ich kann ins Glockenbachviertel, da bin ich zu Hause." Und Rita Braaz sagt: "Für mich ist München die schwul-lesbische Oase in der bayerischen Wüste."
FELIX MÜLLER
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