Schwimmerin über Paralympics: "Prothesen ziehen uns runter"
Die deutsche Schwimmerin Christiane Reppe wird bei den Paralympics in Peking auf Natalie du Toit treffen. Die südafrikanische Schwimmerin sei eine Ausnahmeathletin, sagt Reppe.
taz: Frau Reppe, was halten Sie von dem Auftritt von Natalie du Toit bei Olympia?
CHRISTIANE REPPE, die am Donnerstag ihren 21. Geburtstag feiert, gewann bei den Paralympics 2004 in Athen zwei Bronzemedaillen im Schwimmen (100 und 400 Meter Freistil). Sie tritt in Peking über 50, 100 und 400 Meter Freistil sowie 100 Meter Rücken an. Auf den Freistilstrecken ist sie dieses Jahr Europarekord geschwommen.
Christiane Reppe: Ich finde das toll und werde ihr auch gratulieren. Es ist eine tolle Publicity für uns behinderte Sportler, wenn wir dank solcher Sportler ein wenig mehr in den Fokus geraten.
Ist der olympische Auftritt von du Toit der Anfang einer neuen Entwicklung?
Nein, Natalie ist schon eine Ausnahmeathletin. Bis zu ihrem Unfall hatte sie professionell trainiert. Bei den Paralympics in Athen hat sie entsprechend fünfmal gewonnen.
Sie treten in Peking gegen du Toit in derselben Schadensklasse an. Haben Sie tatsächlich die gleichen Voraussetzungen?
Es gibt verschiedene Schadensklassen, die den Behinderungsgrad beschreiben: von S1 bis S10 die Körperbehinderten, S11 bis S13 die Sehgeschädigten. Zu meiner Schadensklasse S9 gehören bis zum Ellenbogen Armamputierte und bis zum Knie Beinamputierte. Ich habe weniger Oberschenkel als du Toit, aber das macht nicht allzu viel aus.
Und im Vergleich zu nichtbehinderten Schwimmerinnen?
Wir können halt weniger Beinarbeit leisten und nur mit dem Oberkörper schwimmen. Man sagt, im Freistil macht der Beinschlag knapp 30 Prozent aus. Da kann man ja ausrechnen, was es ausmacht, wenn wir nur die halbe Beinkraft haben.
Ist es trotzdem möglich, dass weitere behinderte Sportler bei Olympia starten?
Für andere Sportarten kann ich das nicht beurteilen. Aber beim Bahnschwimmen ist es nahezu unmöglich. Der Vorteil beim Schwimmen im offenen Wasser ist ja, dass dort viel weniger mit den Beinen gearbeitet wird, weil das bei der langen Distanz einfach zu viel Kraft kosten würde. Deshalb schwimmen alle die meiste Zeit fast nur mit dem Oberkörper. Man hat ja auch gesehen, wie Natalie da sofort abgefallen ist, als die anderen am Schluss doch mit den Beinen beschleunigt haben.
Trotzdem hat sie mit dem 16. Platz respektabel abgeschlossen. Haben Sie bei den Paralympics überhaupt eine Chance?
Kaum, wie schon in Athen wird Natalie bei den Paralympics sicherlich wieder alles absahnen. Chancen gibt es höchstens beim 50 Meter Freistil. Sie hat sich beim Training sehr auf die Langstrecke konzentriert.
Der Behindertensport ist ja nicht erst durch du Toit in den olympischen Blickpunkt geraten. Im Vorfeld gab es große Diskussionen über den Start des südafrikanischen Sprinters Oscar Pistorius, der mit zwei speziellen Unterschenkelprothesen antreten wollte.
Ich finde es richtig, dass Pistorius nicht bei Olympia starten durfte, weil ich denke, dass er schon einen Vorteil gehabt hätte. Es ist nun mal ein Hilfsmittel.
Aber wie soll er ohne Prothesen laufen?
Es ist besser, wenn er gegen Leute mit den gleichen Voraussetzungen antritt.
Würden Prothesen beim Schwimmen helfen?
Prothesen würde uns eher runterziehen. Flossen würden helfen. Aber dann kann ich auch gleich zum Flossenschwimmen gehen. Grundsätzlich bin ich gegen solche Hilfsmittel, und im Behindertenschwimmen sind sie auch verboten.
Wie viel fehlt Ihnen noch bis zur Nichtbehinderten-Weltklasse?
An Zeiten von Britta Steffen werden wir nie herankommen, das geht physiologisch nicht. Aber unter einer Minute über 100 Meter Freistil möchte ich schon mal schwimmen.
Ist dieses Ziel realistisch?
Ich habe erst 2002 mit dem Sport angefangen, trainiere seit knapp einem Jahr als richtige Leistungssportlerin und selbst das mit Pausen. Ich verfüge also noch über reichlich Potenzial.
INTERVIEW: JOHN HENNIG
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!