Schwimm-WM in Budapest: „Ich muss nur schneller schwimmen“
Schwimm-Olympiasieger Florian Wellbrock reist als Langstrecken-Favorit zur Weltmeisterschaft nach Budapest. Aber ihn belastet das kein bisschen.
taz: Herr Wellbrock, am Freitag beginnen in Budapest die Schwimm-WM, vor knapp einem Jahr wurden Sie Olympiasieger. Fühlen Sie sich sehr unter Druck? Welches Gefühl überwiegt?
Florian Wellbrock: Erleichterung – oder Seelenfrieden, wie immer man das nennen will. Weil ich einfach einen Haken an diesen Titel Olympiasieger machen konnte. Das ist eigentlich für alle Athleten in olympischen Sportarten ein Kindheitstraum. Und dass ich mir diesen Traum im letzten Jahr erfüllen konnte, das tut schon sehr gut.
Was hat die Goldmedaille noch verändert?
Der Olympiasieg hat mich ein bisschen stolzer gemacht, aber auch leichter. Das ist ein bisschen so, als wäre Last von meinen Schultern abgefallen. Ich habe extrem lange auf dieses Ziel hingearbeitet und gehofft, dass es endlich funktioniert. An diesem Tag das olympische Gold abgeholt zu haben, das löst irgendwie erst einmal alle Sorgen und Probleme in Luft auf.
Florian Wellbrock
2019 wurde der gebürtige Bremer im koreanischen Gwangju Doppelweltmeister über 10 Kilometer im Freiwasser und 1.500 Meter in der Halle. 2021 gewann er in Tokio Olympiagold über 10 Kilometer. Der 24-Jährige lebt in Magdeburg, seine Frau Sarah zählt ebenfalls zur Weltklasse im Langstreckenschwimmen.
Die US-Turnerin Simone Biles berichtete von psychischen Problemen nach den großen Erfolgen.
Gerade was das Mediale, den äußeren Druck angeht – das nehme ich eigentlich gar nicht so wahr. Ich setze mich selber ein bisschen unter Druck. Bei Simone Biles ist es eine ganz andere Situation. Sie hat 2016 vier Goldmedaillen geholt. Und bei ihr war es in Tokio dann so: Entweder sie gewinnt, oder alle sind unzufrieden. Wenn man in eine solche Position geschoben wird, ist es noch mal eine ganz andere Herausforderung als die, die ich gerade zu bewältigen habe.
2024 in Paris ein weiteres Olympiagold zu erkämpfen ist für Sie also eine vergleichsweise kleine Herausforderung?
Das kann man schon ungefähr so in Worte fassen. Es wäre dann eben ein anderer olympischer Titel. Aber das setzt mich jetzt nicht mehr oder weniger unter Druck. Die Situation in Paris wird dann ähnlich sein. Da müssen wir einfach schauen, dass wir im Becken ein bisschen schneller schwimmen als in Tokio.
Sie sind im Alter von 17 Jahren von Bremen ins Internat nach Magdeburg gegangen. Fiel Ihnen dieser Wechsel eigentlich schwer? Und war er für Sie alternativlos?
Sowohl als auch. Es war alternativlos – denn wenn ich mich weiterentwickeln wollte, konnte ich nicht in Bremen bleiben. Aber der Wechsel ist mir schon auch schwergefallen. Zu Hause hatte ich wirklich eine Übermutti, die sich um alles gekümmert, mir alles abgenommen hat. Im Internat dagegen musste ich mich auf einmal um Dinge wie Wäschewaschen und Einkaufengehen kümmern. Eigentlich ganz lapidare Dinge. Aber die muss man mit 17 erst mal bewerkstelligen.
Bei der WM in Budapest treten Sie auf vier Strecken an. Was wollen Sie da erreichen? Oder ist das nur eine Durchgangsstation zu den Olympischen Spielen in Paris 2024?
Wenn man das große Ganze betrachtet, ist dieses Jahr schon eine Durchgangsstation – und Paris ist wieder das große Ziel. Jetzt bei der WM habe ich natürlich die Mission Titelverteidigung über 1.500 Meter und auch über die 10 Kilometer vor der Brust. Das wird schon Herausforderung genug.
Gibt es das perfekte Rennen?
Die zehn Kilometer von Tokio waren perfekt. Das war ein Rennen, das es in der Geschichte so noch nie gegeben hat. Und ich bin gespannt, wann und ob es so etwas wieder geben wird. Was mich noch antreibt, ist der Gedanke, ob die Titelverteidigung möglich ist. Oder die Frage: Bin ich in Paris in der Lage, olympisches Gold auch im Becken zu holen? Wie weit kann ich meine eigene Bestzeit noch herunterschrauben? Kann ich über die 1.500 Meter den Europarekord und irgendwann den Weltrekord brechen? Da sind die Gedanken, die mich antreiben – und die mich weiterhin motivieren.
Sie schwimmen pro Jahr 3.000 bis 3.500 Trainingskilometer, aber Sie bezeichnen das Wasser als Ihre „Traumwelt“. Geht das zusammen?
Auf jeden Fall. Ich finde es einfach immer wieder schön, in dieses, ich sage mal: fremde Element hineinzuspringen. Diese Schwerelosigkeit zu fühlen, dass ich mehr oder weniger schwebe. Die Geräuschkulisse unter Wasser ist eine ganz andere. Das sind einfach Dinge, die ich unheimlich schön finde. Und deswegen spreche ich gern von einer Traumwelt.
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