■ Schwimm-EM: Der Sport soll wieder Hauptsache werden
Sevilla (dpa/taz) – „Das ist nicht fair“, kommentierte Franziska van Almsick gestern in Sevilla die Stasi- und Doping-Enthüllungen der vergangenen Tage. „Man muß das aufarbeiten, aber das muß nicht bei einer Europameisterschaft sein. Das ist bescheuert.“ Ähnlich sieht es Manfred Thiesmann: „Wir sind froh, wenn das Theater endlich aufhört“, sagte der Bundestrainer vor dem heutigen Beginn der Schwimm-Wettbewerbe, „alle sind fit und wollen endlich schwimmen.“
In die Schußlinie gerät einmal mehr die Führung des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV). Er habe in der Vergangenheit versäumt, das Thema öffentlich und offensiv anzugehen, sagt Thiesmann. „Wenn sie das nicht tun, dann haben wir die Scheiße hier.“ Auch van Almsick, die angesichts der Enthüllungen „manchmal eine Gänsehaut“ bekommt“, bedauert, daß der Sport „wieder zur Nebensächlichkeit“ werde. Die 19jährige Weltmeisterin aus Berlin hat nach einem Motorradunfall zwar das Training aufgenommen, wird bei der EM aber nicht starten.
Richtig wütend ist Olympiasiegerin Dagmar Hase, deren Trainer Bernd Henneberg von den Doping-Vorwürfen direkt betroffen ist. Hase: „Man weiß ja, daß vor jedem Höhepunkt eine Bombe platzt, das wird auch bei der Weltmeisterschaft so sein. Und das kotzt mich ganz einfach an.“ Wesentlich differenzierter kommentierte Athletensprecher Chris-Carol Bremer die Angelegenheit: „Wir verurteilen Doping, das muß so hart bestraft werden wie möglich, ohne Rücksicht auf Personen. Aber wir können die Sache nicht hier klären. Deshalb soll man uns jetzt damit in Ruhe lassen. Man muß sich mit dem Thema befassen, aber nicht hier. Es wirkt sich negativ auf den Wettkampf aus. Wir wollen die sportliche Leistung in den Vordergrund stellen.“
Kurzbahnweltmeisterin Sandra Völker soll dem DSV-Team im ersten Wettbewerb über 100 m Freistil den ersten Titel bringen. „Ich sehe im Moment in Europa keine Gegnerin, die sie umstoßen könnte“, sagt Frauen-Bundestrainer Achim Jedamsky. Gold erwartet er auch von der 4x200-m-Freistil-Staffel der Frauen: „Das ist eine sichere Bank.“ Über 400 m Lagen sieht Jedamsky allerdings kaum Titelchancen für Sabine Herbst und Cathleen Rund. „Da kann ihnen Michelle de Bruin kräftig in die Suppe spucken.“ Unter ihrem Mädchennamen Smith wurde die Irin in Atlanta dreimal Olympiasiegerin.
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