Schweres Zugunglück in Frankreich: Defektes Schienenteil war Ursache
Bisher sechs Tote und 200 Verletzte forderte der größte Bahnunfall Frankreichs seit 1988 in der Station von Brétigny-sur-Orge. Der Lokführer verhinderte Schlimmeres.
BRÉTIGNY-SUR-ORGE/PARIS afp/ap/dpa | Eine defekte Schienenverbindung an einer Weiche hat wahrscheinlich das Zugunglück südlich von Paris mit sechs Toten ausgelöst. Dies haben erste Ermittlungen ergeben, wie Pierre Izard vom französischen Bahnunternehmen SNCF am Samstag berichtete. Demnach hat sich das Metallteil aus noch ungeklärter Ursache gelöst. Kurz vor dem Unfall am Freitagnachmittag habe ein anderer Zug die Stelle noch problemlos passiert, sagte Izard.
Nun sollen schnellstmöglich alle vergleichbaren Verbindungsteile im französischen Schienennetz überprüft werden, kündigte Izard an. Es sollen rund 5000 sein.
Rettungsmannschaften suchten am Samstag unter den umgestürzten Waggons nach weiteren Opfern. Transportminister Frédéric Cuvillier sagte, es sei nicht ausgeschlossen, dass bei dem Unfall des Intercity-Zuges mit etwa 385 Passagieren noch mehr Menschen getötet wurden.
Nach seinen Angaben wurden fast 200 Menschen verletzt. Neun Schwerverletzte befanden sich am Samstag weiter in kritischem Zustand. Zur Unfallursache sagte auch Cuvillier, menschliches Versagen des Lokführers scheide nach ersten Ermittlungen aus.
Laut einem Polizisten fuhr der Intercity „mit großer Geschwindigkeit“ in den Bahnhof von Brétigny-sur-Orge ein, als er in „zwei Teile gerissen“ wurde. Ein Teil des Zugs sei weitergefahren, der zweite Teil mitsamt den Passagieren auf den Bahnsteig gerast und dort umgestürzt.
Die Wucht des Aufpralls war so groß, dass noch hunderte Meter weiter Trümmerteile in der Ortschaft verstreut lagen.
Geistesgegenwärtiger Lokführer
Dass sich keine noch größere Katastrophe ereignete, war laut SNCF wohl allein dem Lokomotivführer zu verdanken: Als er das erste Holpern des Zuges bemerkte, habe der Mann rasch alle Warnsysteme aktiviert und dadurch den Schienenverkehr in der Gegend gestoppt. Er verhinderte damit einen Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Zug.
Präsident François Hollande begab sich noch am Abend zur Unglücksstelle, an der rund 300 Feuerwehrleute, 20 Ärzteteams und acht Rettungshubschrauber im Einsatz waren. Hollande zufolge dürfte die Identifizierung der Opfer noch „sehr lange“ dauern.
Das Unglück von Brétigny-sur-Orge ist die größte Zugkatastrophe in Frankreich seit 1988. Bei einem Unglück im Pariser Bahnhof Gare de Lyon waren damals 56 Menschen ums Leben gekommen.
Der gesamte Zugverkehr vom Gare d'Austerlitz in Paris wurde nach dem Unglück gestoppt - ausgerechnet vor dem starken Reisewochenende zum Nationalfeiertag 14. Juli am Sonntag.
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