Schweinsteiger wohl doch kein Genie: Es war einmal ein Star
Mit Bastian Schweinsteiger sollte einst die Kreativität in den deutschen Fußball zurückkehren. Jetzt ist er 23, und der Verdacht, er könnte ein Genie sein, hat sich erledigt.
TENERO taz Ganz hoch ist er eingestiegen. Er hat seine Karriere als Profifußballer in der Königsklasse begonnen. Im November 2002 durfte Bastian Schweinsteiger, süße 18 Jahre alt, das erste Mal in der ersten Mannschaft des FC Bayern spielen - in der Champions League gegen den RC Lens. Er gefiel und erhielt einen Profivertrag. Eine Fußballhoffnung war geboren.
Er spielte zunächst nicht oft. Doch wenn er spielte, dann versuchte er Dinge, an die sich andere Spieler in der Bundesliga nicht heranwagten. Er dribbelte, er konnte mit dem Ball spielen, ihn nicht nur treten. Mit ihm sollte die Kreativität in den deutschen Fußball zurückkehren. Für Bastian Schweinsteiger wurde die Rolle eines Heilsbringers reserviert.
Ein halbes Jahr bevor Schweinsteiger die große Fußballbühne betrat, war die deutsche Nationalmannschaft Vizeweltmeister geworden. Eine neue Fußballergeneration war auf den Plan getreten. Spieler wie Arne Friedrich, Sebastian Kehl und Christoph Metzelder wurden gelobt, nicht wegen ihrer fußballerischen Qualitäten, nein, weil sie sich als intelligente Burschen präsentierten, die einen Computer nicht nur zum Spielen einschalten, die auch einmal eine E-Mail schreiben.
Spielerisch lief nicht viel zusammen in dieser deutschen Mannschaft, die eine beinahe unerträgliche Qualifikation zur EM 2004 fabriziert hat. Dem deutschen Fußball fehlte beinahe jede Kreativität. Rudi Völler, Bundestrainer damals, wusste das. Er wusste auch, dass die EM für einen verspielten 19-jährigen Jungen vielleicht noch zu früh kommt. Und doch nahm er Schweinsteiger mit zur EM.
Der pickelige Jungbayer wurde gleich im ersten EM-Spiel eingesetzt. 20 Minuten hat er gegen die Niederlande gespielt, ein paarmal seinen Gegenspieler ausgetrickst. Eine Woche später waren die Deutschen ausgeschieden, hatten sich wieder einmal blamiert bei einer EM. Und doch war einer als Sieger aus dem Turnier hervorgegangen: Bastian Schweinsteiger. An ihm sollte der deutsche Rumpelfußball genesen.
Schweinsteiger war ein Star in Deutschland. Noch gab es keine Spiele, die er im Alleingang entschied. Es gab einzelne Szenen, in denen er seine Gegenspieler schlecht aussehen ließ. Es gab satte Schüsse, die manchmal, nicht allzu oft, den Weg ins Tor fanden (in 153 Bundesligaspielen traf er 15-mal). Den wirklich großen Auftritt, den hat er immer noch nicht gehabt. Beim Spiel um den dritten Platz bei der WM 2006, das er mit zwei Toren gegen Portugal beinahe im Alleingang entschied, hatte er einen feinen Auftritt. Es war dies kein wirklich wichtiges Spiel, und doch schürte es von Neuem die Hoffnung, dass es in Deutschland doch einen großen Kreativen von internationalem Format gibt.
Schweinsteiger, der zuvor im Turnier durch sein harmonisches Zusammenspiel mit Stürmer Lukas Podolski aufgefallen war, ist im Sommermärchensommer zum geliebten Schweini geworden. Er wurde gefeiert, schien dabei äußerst locker zu bleiben. Er ließ sich gerne feiern.
Wahrscheinlich weiß Schweinsteiger längst, dass er kein Fußballwunder ist. Er sagt, er sei mit seiner Karriere zufrieden. Auch in der abgelaufenen Bundesligasaison hat er sich so schlecht nicht gesehen "wie die Leute sagen". Inzwischen ist er froh, wenn er spielen darf. Es geht ihm nicht mehr darum, auf dem Feld aufzufallen. Der entscheidende Trick, er ist ihm zu selten gelungen, als dass er ihn in den großen Spielen noch einmal probieren würde.
Eine Zeit lang ist es ihm nicht einmal mehr in der Liga gelungen, sich im Duell Mann gegen Mann durchzusetzen. Felix Magath, Bayerntrainer damals, versetzte ihn 2004 in die Regionalliga. Schweinsteiger galt da schon als Superstar der Zukunft. Hätte ihn Jürgen Klinsmann auch mangels Alternativen seinerzeit nicht konsequent ins Nationalteam berufen, er wäre vielleicht in den Niederungen der Fußballprovinz verschwunden. Es war die Zeit, in der sich etliche deutsche Spieler nur in der Nationalmannschaft über 90 Minuten zeigen konnten. Klinsmann war es, der Schweinsteigers Karriere wohl gerettet hat, zu einem Spieler von Weltformat hat auch er ihn nicht gemacht.
In den zwei Jahren der Vorbereitung auf die EM, in den Qualifikationsspielen, gehörte der inzwischen 23-Jährige zu den Stammkräften. Joachim Löw vertraute ihm und disziplinierte ihn. Selten hat er noch zum Dribbling angesetzt, nur noch ab und zu hat er den Ball nach vorne getragen. Er war eine Station im Löwschen System, eine unter vielen. Und wenn er gut gespielt hat, dann hat er die Bälle schnell gemacht, indem er sie schnell weitergeleitet hat. Auch bei den Bayern geht er nur noch selten in den Clinch. Er fällt nicht mehr auf. Er spielt mit. Seiner eigenen Einschätzung nach macht er das ganz gut. Der Verdacht, er könne ein Genie sein, der kann nicht mehr aufkommen. Bastian Schweinsteiger ist ein guter deutscher Fußballer. Immerhin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!