Schweinegrippe in der WG: Unter Quarantäne

Was tun, wenn der Mitbewohner die Schweinegrippe hat? Ein Protokoll der Angst.

Mit Mundschutz ist sich Näherkommen schwer. Bild: dpa

Robert Schiebe, 27 und Stuckateur, lebt in einer Fünfer-WG in Berlin. Kürzlich wurde bei seinem Mitbewohner, der anonym bleiben will, die Infektion mit dem H1N1-Virus, also der sogenannten Schweinegrippe, festgestellt - wie bei 16.116 anderen Betroffenen, deren Infektionen bisher in Deutschland gemeldet wurden. Schiebe schildert die Tage in der WG, als die Diagnose bekannt wurde.

Sonntag: Mein Mitbewohner ist krank, sein ganzer Körper tut ihm weh. Er schläft den ganzen Tag. Nachmittags kommt seine Freundin vorbei, später holt er seinen Vater vom Bahnhof ab. Wir sitzen vorm Fernseher und machen Witze, dass er die Schweinegrippe hat.

Montag: Gerade war er bei der Ärztin, um sich auf Schweinegrippe testen zu lassen. Er hat es seiner Freundin versprochen. Als er ihr nicht die Hand geben wollte, hat sie gelacht und meinte: "Ist ja reizend". Sie sagte, es wäre sehr unwahrscheinlich, dass er das Virus hat. Abends gehe ich in sein Zimmer und frage, ob er einen Apfel will, aber er will nur schlafen. Als ich wieder im Wohnzimmer bin, sprüht mein anderer Mitbewohner Benni mich mit Desinfektionsspray voll. Er sagt, ich suche das Risiko.

Dienstag: Heute habe ich Geburtstag! Ich fahre direkt von der Arbeit zu meiner Mutter nach Zehlendorf, da grillen wir im Garten. Um 18 Uhr ruft Benni an, er meint, unser Mitbewohner hat die Schweinegrippe. Ich glaube es ihm nicht, er macht immer irgendwelche Witze. Eine Stunde später ruft der andere Mitbewohner Uwe an: Es stimmt wirklich. Schon krass. Ich erzähle es meiner Mutter, aber wir hängen es bei den Verwandten erst mal nicht an die große Glocke. Meinen Chef rufe ich auch gleich an. Er sagt, ich soll bloß zu Hause bleiben, solange ich nicht Bescheid weiß. Abends fahre ich zurück in die WG. Meinem Mitbewohner geht es schon besser, aber er macht sich Sorgen um seine Freundin und seinen Vater. Der Nachbar aus dem Erdgeschoss hat ihm das Rezept und die Medikamente geholt - es musste jemand sein, der ihn drei Tage nicht gesehen hat, damit er bei der Ärztin und in der Apotheke niemanden anstecken kann.

Mittwoch: Morgens um halb neun gehen wir alle zur Ärztin. Benni müssen wir richtig aus dem Bett ziehen. Jetzt dürfen wir die Wohnung nicht verlassen, bis wir morgen Nachmittag das Ergebnis haben. Und wenn wir doch rausgehen, dann nur mit Mundschutz, sagt sie. Den tragen wir auch in der Wohnung. Jeder hat nur einen einzigen bekommen, obwohl die Dinger total schnell kaputtgehen. Ich habe eigentlich den ganzen Tag Playstation gespielt. Unserem Virenüberträger geht es schon wieder besser. Der Nachbar aus dem Erdgeschoss bestellt ihm zwei Pizzas, er lässt einen Korb an einer Schnur runter, der Nachbar packt sie, rein und er zieht sie hoch. Seine Freundin war hier, sie fährt morgen für vier Wochen in den Urlaub. Er findet schlimm, dass sie sich vorher nicht noch mal "näherkommen" konnten.

Donnerstag: Um drei Uhr mittags ruft Thomas bei der Ärztin an: Keiner von uns hat das Virus. Unserem Mitbewohner geht es immer besser, aber bis Samstag muss er trotzdem in seinem Zimmer bleiben. Seiner Freundin und seinem Vater geht es gut, sagt er noch. Ich spiele Playstation, es wird langweilig. Ich freue mich auf die Arbeit.

Freitag: Auf der Baustelle machen manche einen kleinen Bogen um mich. Abends gehe ich zu einer Freundin, wir küssen uns. Später hustet sie. Zum Spaß sagt sie, es wäre die Schweinegrippe. Komischerweise habe ich jetzt mehr Angst vor dem Virus, als ich es je wegen meinem Mitbewohner hatte.

PROTOKOLL: FLORIAN BAMBERG

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.