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■ Schweden schickt Euroskeptiker nach StraßburgQuittung für verlogene Propaganda

In massiver WählerInnenbeschimpfung übte sich Schwedens politisches Establishment, nachdem in der Sonntagnacht das feststand, was abwechselnd als Katastrophenwahl oder Zeichen demokratischer Unreife bezeichnet wurde: eine Wahlbeteiligung von nur 40 Prozent und eine Mehrheit EU-kritischer Abgeordneter für das Europaparlament. Das Volk hat nicht funktioniert, wie es sollte, und wagt auch noch, eine Repräsentation nach Straßburg zu schicken, die dem politischen Willen von Regierung und Parlamentsmehrheit diametral widerspricht.

Doch was hatten sich die Damen und Herren Berufspolitiker eigentlich erwartet? Das Maß an Verarschungsbereitschaft war für die SchwedInnen ganz einfach überschritten. Weil eine Mehrheit der SkandinavierInnen beim besten Willen keinen Vorteil in einer EU-Mitgliedschaft sehen konnte, war ihnen für den 1. Januar 1995 der Ausbruch paradiesischer Zeiten versprochen worden. So man nur richtig sein Volksabstimmungs-„Ja“-Kreuz machen würde. Bei „Nein“ dagegen drohte, wenn schon nicht die Hölle, so doch fürchterliche Einsamkeit und schwerste Wirtschaftskrise außerhalb der herrlichen europäischen Gemeinschaft. Zumindest in Schweden und Finnland war diese Rechnung mit Zuckerbrot und Peitsche aufgegangen. Nur, auf die Erfüllung der Versprechungen wartet man zwischen Malmö und Rovaniemi vergeblich. Wenn dann die großen Parteien ihre Würdigung des EU-Parlaments durch Wahllisten zum Ausdruck bringen, in denen es von KandidatInnen wimmelt, deren politische Zukunft längst vorbei ist oder die vermutlich nie eine haben werden, haben sie damit die Bausteine für das Wahlergebnis selbst geliefert.

Die in Schweden so massiv zum Ausdruck gekommene Skepsis wird der EU-Kritik in Finnland – dort wird im nächsten Jahr gewählt – und Norwegen neuen Auftrieb geben. Und Stockholm hat jedenfalls schon jetzt für eine weitere Integrationspolitik oder gar das Mitgehen bei einer EU-Währungsunion keinerlei Mandat des Volks. Der EU ist neben Dänemark ein weiterer nordischer Bremser auf der Maastricht- Straße und darüber hinaus erwachsen. Was der EU- Kritik auch in Resteuropa neuen Auftrieb geben dürfte. Schon nach acht Monaten Mitgliedschaft geht den SchwedInnen die von der eigenen Regierung und dem eigenen Parlament nur noch marginal zu beeinflussende und damit tendenziell unkontrollierbare Machtverschiebung Richtung Brüssel viel zu weit. Das Votum der SchwedInnen zeugt nicht von mangelnder demokratischer Reife, wie ihnen die PolitikerInnen das vorwerfen. Sondern vom Gegenteil. Reinhard Wolff

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