: Schwarzweißmalerei
■ Betr.: "Frankreichs Rechte macht Jagd auf einen 'Vaterlandsverräter' ", taz vom 26.3.91
betr.: „Frankreichs Rechte macht Jagd auf einen ,Vaterlandsverräter‘“ von Bettina Kaps,
taz vom 26.3.91
Ich habe schon lange keinen Text mehr gelesen, der mich in seiner kruden Schwarzweißmalerei so zum Schädel-an-die-Wand-schlagen gebracht hat, wie dies „Sturm-und- Drang-Drama der Bettina Kaps.
Hah — da ist die Welt noch deutlich in Gut und Böse eingeteilt: Georges Boudarel in seiner Rolle als „Der Missionar“, der warmherzig, voll Erbarmen versucht, die dummen, verstockten Jungs vonne französischen Armee zur erhabenen Lehre des „Marxismus“ — ein Raunen geht durch die Menge — zu „bekehren“. Möchte mir die Autorin wirklich einreden, ein „politischer Kommissar“ habe während des Indochina-Krieges nichts anderes zu tun, als mit dem herrlichen Leuchten im Auge, Kriegsgefangene bei der Hand zu nehmen und mit ihnen Bibelstunden zu halten?
Führwahr! Erstaunliches weiß Bettina Kaps zu berichten: „In den Lagern der Vietminh gab es keine physische Folter; viele Häftlinge starben an tropischen Krankheiten aufgrund der schlechten Ernährung.“ Ja, aber, der Mund geht auf und zu, ja, aber, liebe Bettina: Wieso starben sie denn an diesen üblen, üblichen Erscheinungen? Haben sie sich etwa geweigert, die großzügig verteilten Mahlzeiten der marxistischen Evangelisten anzunehmen? Wollten diese kapitalistischen Söldner eher für ihre Überzeugung sterben und so PR-trächtige Märtyrertode inszenieren? Das wär'n Ding, wa! Heimtückisch!
Das sind sie, die französischen Imperialisten. „Allein in Indochina sollen mehr als 9.000 Häftlinge in französischen Lagern gestorben oder hingerichtet worden sein.“ Kaum habe ich mich von der ersten Verblüffung erholt, überrascht die flinke Autorin aufs neue; kann sie also doch differenzieren zwischen sterben und hinrichten. Wenn die Wahl mal an mich kommt: 's ist mir fast gleich, wa, ich nehme dann die Sache ohne große Umstände, also: einmal sterben, bitte, ohne Hinrichtung. Und wenn wir schon dabei sind, eigentlich ist es mir auch vollkommen egal, ob ich nu an mysteriösen tropischen Krankheiten — trotz all der Mühen vietnamesischer Ärzte — zugrunde gehe, oder in den Lagern französischer Rassisten krepiere.
Alles klar, Genossin Kaps? Will Dir bestimmt nicht allzu Sinistres, aber: wer beginnt, mit und für Moral seltsamst abstruse Dinge zu berichten, und Fakten wie in einer fetten Buchstabensuppe durcheinandermixt und dann mit großen Kellen daraus Weltanschauung und Texte schöpft... — der ist doch nur ein leidlich guter Trommler für die nächste Reihe froher Menschen, die, selbstbestimmt mit guter Miene, für hohe Ideale ins Massengrab marschieren.
Doch wenn ich es mir überlege und so in der Welt umherblicke — Du hast Recht, es ist an der Zeit, deutlich zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, es ist wieder an der Zeit, zu wissen, auf wessen Seite Gott und die Menschenrechte, Marxismus und Mehrwert stehen, es ist hohe Zeit..., wenn es dann zu spät ist, fünf nach zwölf, werden die Liberalen ihre lächerlichen weißen Bettlaken aus den Fenstern hängen, derweil wir daran gehen, irgendwelche Ungläubige zu bekehren und erstaunt zu sehen, wie sie an schlechter Ernährung eingehen. Rudolf Stoert, (West)Berlin
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