Schwarze Serie: Platt im Kernkraftwerk
■ Wie die Bremer Heimatdichterin Alma Rogge zu ihrem 100. Geburtstag in die Hände der Atomindustrie fiel
Ein klarer Fall von Leichenfledderei ist zu vermelden. Und zwar anläßlich des 100. Ge- burtstags der niederdeutschen Dichterin Alma Rogge. Übermorgen ist das Jubeldatum; am Wochenende begannen schon mal die Feierlichkeiten: Ein Stück Theater, eine Lesung und eine Ausstellung zu Almas Ehren – an einem Ort allerdings, der die 1969 in Rönnebeck verstorbene Dichterin wahrscheinlich wunder genommen hätte.
Denn ihren Geburtstag reißt sich die Preussen Elektra unter den Nagel, um den schlechten Ruf, den das Kernkraftwerk Unterweser (KKU) in der Region besitzt, ein wenig aufzupolieren. Eine PR-Kampagne, die man sich was kosten läßt.
Die Feierlichkeiten finden im Kommunikationszentrum des KKU statt. Das liegt zwar etwas außerhalb, so daß das Volk, das es angeht, kaum hingehen wird, aber das macht nichts. Denn was zählt, ist die Berichterstattung der zahmen Regionalpresse über die kulturpolitische Rolle, die das KKU für die Pflege des Plattdeutschen spielt.
Die Erben und Freunde der Dichterin wurden schlicht ausgetrickst. Ihre ursprüngliche Zustimmung wurde erschlichen, indem die Hintermänner von der Atomindustrie verschwiegen wurden. Alma Rogge, so die Meinung der Fachleute und Freunde, hätte sich dafür niemals hergegeben, sondern eher im Kampf gegen die Kernkraft an vorderster Stelle gestanden.
Zudem wurde versichert, es sollten nur bereits veröffentlichte Arbeiten der Dichterin gezeigt werden. Das ist längst überholt. Die Landesbibliothek Oldenburg wurde geplündert, um an Unveröffentichtes heranzukommen: Briefe, Bilder, Dokumente, Tagebücher.
Wer das alles verzapft? Als Veranstalter werden neben dem Rüstringer Heimatbund der Verkehrsverein Stadtland (wo Alma Rogge 1894 geboren wurde), die Gemeinde sowie das KKU genannt. Die Gemeinde aber distanziert sich inzwischen: Auf Anfrage hieß es, man sei lediglich „im Randbereich organisatorisch tätig“. In der Einladung zur Auftaktveranstaltung beschränkte sich Bürgermeister Knupp darauf, „allen Beteiligten und Akteuren zu danken“ und den Besuchern „einen angenehmen Aufenthalt“ im KKU zu wünschen. Berni Kelb
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