■ Schwarzarbeit: Die Politiker sind am schlimmsten
Serifg A., 24 Jahre, Bauarbeiter
Ich besitze Papiere und Arbeitserlaubnis. Trotzdem war ich ein Jahr arbeitslos, bevor ich diese Stelle bekommen habe. Die Schwarzarbeiter haben es leichter, die kriegen sofort einen Job. Die meisten kommen aus der ČSR oder aus Polen hierher und arbeiten schwarz für 10 bis 12 Mark. Warum soll mich jemand für 20 Mark einstellen, wenn er die für den halben Preis bekommt?
Günther D., 66 Jahre, ehemaliger Maurer
Klar hat man mal gemeckert, wenn es zu viel Steuern waren. Aber was bleibt einem anderes übrig, als zu bezahlen? Der Staat nimmt uns das Geld ja einfach ab. Schwarzarbeit kann man dennoch nicht unterstützen, das ist doch nicht rechtmäßig. Natürlich hat man selbst mal was nebenbei gemacht, so unter Freunden. Aber das nenne ich doch nicht Schwarzarbeit. Eher Nachbarschaftshilfe.
Akterk G., 26 Jahre, Küchenhilfe
Ich selbst arbeite nicht schwarz, dafür bin ich zu ängstlich. Dabei würde es sich lohnen, so wenig wie ich verdiene. Bei 12,35 Mark Brutto bleibt fast nichts übrig. 750 Mark im Monat, was ist das schon? Ich habe Kinder und kann nicht länger arbeiten. Warum bekomme ich im Osten nur 80 Prozent des Westgehalts? Es können doch nicht alle abwandern. Niedrige Löhne produzieren Schwarzarbeit.
Friedrich K., 64 Jahre, ehemaliger Lehrer
Nur weil ich früher mal 430 statt 400 Mark verdient habe, bekomme ich jetzt 135 Mark weniger Rente. Da denke ich mir auch: hättest du die drei Stunden im Monat man lieber schwarz gearbeitet. Anständigkeit zahlt sich eben nicht aus in dieser Gesellschaft. An sich halte ich natürlich nichts von Schwarzarbeit. Aber ehrlich gesagt: wenn ich arbeitslos wäre, würde ich es auch machen.
Irene W., 59 Jahre, Sozialpädagogin
In der DDR fühlten sich viele an ihrem Arbeitsplatz nicht gänzlich ausgelastet. Also übernahm man kleine Nebentätigkeiten. Schwarzarbeit wurde das nicht genannt. Man fragte vorher im Betrieb nach und dann war das in der Regel kein Problem. Dort waren sie eher heilfroh über einen kompetenten Arbeitskollegen, der einspringen konnte, falls sich die Handwerker mal wieder rar machten.
Friedbert B., 47 Jahre, Bau-Polier
Schwarzarbeit wird hier ganz professionell betrieben: Die Kontrollen melden sich vorher an, und dann werden ganze Kolonnen einfach verlegt. Meistens sind es Ausländer, während der deutsche Arbeiter auf der Straße sitzt. Schwarzarbeit müßte strenger verfolgt werden als Diebstahl. Aber die Politiker sind ja die Schlimmsten: sitzen alle in Aufsichtsräten und scheffeln viel Geld nebenbei.
Noäl Rademacher
Fotos: Rolf Schulten / Octopus
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