Kommentar: Schwacher Staat
■ Die Dummen vom Buntentor
Am Tag danach sind alle schlauer – bloß nicht am Buntentor. Der Tag nach der Räumung des Frauenprojektes war geprägt von allerlei Rechtfertigungsreden der jeweils eigenen und harten Vorwürfen gegen die andere Seite.
Wenn am Tag danach alle schlauer wären, dann würden sie sich hinsetzen und überlegen, wie denn die Eskalation zu verhindern gewesen wäre. Die Projektfrauen und ihr Umfeld könnten sich beispielsweise fragen, ob es so besonders geschickt war, die räumungswütige Mehrheit in der Stadt mit spätpubertären Gewaltphantasien per Plakat zu schocken.
Wenn am Tag danach alle schlauer wären, würde sich die Polizei schämen, daß ein Plakat und ein paar Gespräche über die Nationalfeiertagsdemo als Rechtfertigung für die Räumung herhalten sollen. Dem Staat stehen wahrhaftig andere Instrumente zur Verfügung, das in den Griff zu bekommen, er ist nicht auf Bagger angewiesen. Ein Staat, der so Stärke demonstrieren muß, demonstriert Schwäche.
Wenn am Tag danach alle schlauer wären, würden sie sich an die Stärke des Dialogs erinnern und an die, die ihn versucht haben. Die sitzen jetzt zwischen den Stühlen und werden im Zweifel von beiden Seiten gehauen. Und sie wollens auch nie, nie wieder probieren. Am Tag danach, an dem eigentlich alle schlauer sein müßten, sind sie die Dummen. Man sollte ihnen danken. Jochen Grabler
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