Schulung in Sachsen-Anhalt: Polizei soll Umgang mit Neonazis lernen
Oft versagt die Polizei in Sachsen-Anhalt beim Umgang mit rechtsextremen Straftaten. Um gegenzusteuern, wird sie verstärkt geschult. Mit mäßigen Erfolgen.
MAGDEBURG taz Alle Plätze im Magdeburger Schauspielhaus sind am diesem Donnerstag belegt. Manche Besucher müssen am Boden sitzen. Eigentlich wollen die Leute über die aktuelle Lage der NPD diskutieren, doch sehr bald reden sie meist darüber was die Polizei in Sachsen-Anhalt gegen Rechtsextreme tut: "Bei der Polizei habe ich mich wegen eines Rechtsrockkonzert gemeldet", erzählt eine junge Frau. "Nichts ist passiert".
Viele Zuhörer nicken, die Sprecherin ist kein Einzellfall. Immer wieder erzählen Menschen bei Veranstaltungen von Anti-Rechts-Initiativen dass die Polizei gar nicht oder unwillig gegen Rechtsextreme vorgeht. "Ja, es gibt Probleme bei der Polizei", räumt auch Martin Krems, Pressesprecher des Innenministeriums offen ein.
In Sachsen-Anhalt versucht die Landesregierung nach vielen Pannen beim Umgang mit Neonazis ihre Polizisten besser vorzubereiten. "Wir wollen für entsprechende Tatkontexte sensibilisieren und über Handlungsoptionen informieren", sagt Ministeriumssprecher Krems. Auf Dienststellen werden Fortbildungen ausgerichtet. Im Lehrplan an der Polizei Fachhochschule wäre das "Thema Rechtsextremismus" jetzt fester Bestandteil.
Das war lange überfällig: In Sachsen-Anhalt hatten sich Polizisten im Umgang mit rechtsextremen Straftaten zwischen 2005 und 2007 eine Vielzahl grober Fehler geleistet. In Dessau ermittelte die Polizei beispielsweise monatelang gegen einen Anti-Rechts-Aktivisten, weil er einen NPD-Politiker öffentlich als rechtsextrem bezeichnet hatte.
Eine andere Absurdität passierte in derselben Stadt: Drei Polizeibeamte warfen dem Stellvertreter ihrer Chefin vor, er habe ihnen geraten, rechtsextreme Straftaten öfter mal zu ignorieren. Schließlich verschlechterten sie die Statistik. Und nach dem Überfall auf eine
Theatergruppe in Halberstadt verhörten die Beamten zwar die Opfer, ließen die rechtsextremen Schläger aber laufen. Referenten der Schulungen kommen auch von Anti-Rechts-Initiativen wie dem sachsen-anhaltinischen "Netzwerk für Demokratie und Tolerenz" und dem Magdeburger Verein "Miteinander".
"Wir haben eine Schwerpunkt auf die Fortbildung von Polizei und Justiz gelegt", sagt die Geschäftsführerin des "Netzwerk", Cornelia Habisch - auf Wunsch der Landesregierung. Bei einer Fortbildungsreihe setzen sich 2007 Richter und Staatsanwälte mit dem geänderten Erscheinungsbild der Szene und den besonderen Tatauslösern auseinander. Wie die Behörden mit den Opfern umgehen, hinterfragten sie auch. 241 Mitarbeiter der Justiz wurden bisher erreicht.
David Begrich, Rechtsextremismusexperte von "Miteinander" betont: "In den Ermittlungsbehörden wird oft der Gleichschritt von rechtsextremen Ideologie und Gewalt nicht wahrgenommen. Ein rechtsextremer Straftäter ist kein gewöhnlicher Gewalttäter". Begrich kennt die besondere Situation, als Externer bei der Polizei zu lehren. Ein Vakuum stellt er hier oft fest. Und Unsicherheit darüber, was rechtlich möglich ist. Die Schwierigkeit gleich am Tatort den Hintergrund von Schlägereien zu erkennen, dürfte auch nicht unterschätzt werden, sagt Begrich, doch wenn vor dem Schlag "Zecke", oder "linke Sau" gerufen wird, muss der politischen Kontext sofort erfasst werden. Der Geschäftsführer von "Miteinander", Roman Ronneberg, gibt zu bedenken, dass bei einigen Polizeibeamten nicht selten die Opfer rechter Übergriffe auch als "störend" wahrgenommen werden. Ronneberg glaubt: "Bei der Polizei müssen noch alte Mentalitäten aufgebrochen werden, mischt sich doch rückständige Verhaltensmuster aus DDR-Zeiten mit gegenwärtigen Verunsicherungen".
Von schnellen Effekten gehen Habisch, Begrich und Ronneberg nicht aus. Nicht nur weil bisher nur 630 Polizeibeamte die Veranstaltungen besuchten. Landesweit sind etwa 5000 Polizisten im Dienst. "Wir müssen in mittel- und langfristigen Zeiträumen denken, betont Habisch. Der Presseprecher des Innenministeriums scheint noch weitere Schlagzeilen über Polizeipannen bei Einsätzen gegen Rechtsextreme zu erwarten. Der Sprecher des Innenministeriums betont jedenfalls: "Die nötige Veränderungen können nicht so schnell durchdringen".
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