■ Daumenkino: Schultheißer Triller
Bei Nacht ist Berlin ein Meer blinkender Lichtpunkte, Sounds von B-Zet und Sven Väth wabern um den Fernsehturm, und blonde Mädchen namens Conny zweitarbeiten in einem Telefonsexclub, damit sie die hippen Neonteile für tagsüber bezahlen können. Und weil ohnehin schon alles so schön verrucht ist, verknallen sie sich in den Stammkunden, der als Künstler „Kalter Finger“ heißt und sie als Muse braucht, aber in Wirklichkeit natürlich in Serie mordet und Fotos davon verschickt, damit es auch jemand mitkriegt.
Regisseur Ralf Huettner will den totalen Thrill, doch es fehlt ihm dabei so gänzlich an psychologischer Motivation und Raffinesse, daß letztlich nur ein Trillern dabei herauskommt – nein, eher noch ein Japsen, gegen das Gruschenka Stevens als Conny denn auch gleich einen Tascheninhalator parat hat. Und tatsächlich können all die dräuenden Nebel ganz und gar nicht verschleiern, daß es bei Huettner vom Telefonsexclub bis zur „Praxis Bülowbogen“ nur ein paar Schritte sind, selbst wenn sich Sophie Rois in einer Nebenrolle redlich um einen Schuß Extravaganz bemüht.
Und wenn der österreichische Ganzkörper-Performer Flatz als Killer sein Conny- Opfer dann schlußendlich nackt und der Länge nach aufs Motorrad schnallt, um mit ihr Vollgas von einem Dach zu fahren, dann möchte das so gerne schocken und ist doch nur der Ledertraum einer anderen schultheißen Nacht. Wo Abgrund sein soll, tut sich der Wannsee auf. peko
„Der kalte Finger“. Regie: Ralf Huettner. Mit: Gruschenka Stevens, Flatz, Sophie Rois u.a.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen