Schulstreit in Reinickendorf: Ein zerrüttetes Verhältnis
Die CDU verhindert seit Monaten eine Gemeinschaftsschule im Bezirk Reinickendorf. Eine Debatte hat jetzt klargemacht: Es geht um Ideologie. Nur um welche?
Wer lange im Gegenwind steht, fällt um. Oder macht sich ganz hart. Wie Katrin Schultze-Berndt (CDU): Am Ende sitzt Reinickendorfs Schulstadträtin wie eine Sphinx unter politischen Gegnern, entnervten Pädagogen und wütenden Eltern: Hier sitze ich, ich kann nicht anders. Was bedeutet: Der Bezirk muss weiterhin als einziger auf eine Gemeinschaftsschule verzichten.
Hoffte der Landeselternausschuss (LEA), der am Dienstag zur Debatte in die Hannah-Höch-Grundschule geladen hat, die Politikerin umzustimmen? Wohl kaum: Es ist nicht die erste Debatte über die Weigerung der Bezirks-CDU, einer Zusammenlegung von Hannah-Höch-Schule und Greenwich-Sekundarschule im Märkischen Viertel zuzustimmen. Alle wollen, dass am "Campus Hannah Höch" bis zur 10. Klasse gemeinschaftlich gelernt wird. Nur die CDU nicht.
"Ich finde es mutig, dass sich Frau Schultze-Berndt auf so ein Podium setzt", sagt der Moderator und taz-Autor Christian Füller. In der Tat ist es ein Spießrutenlaufen für die schmale blonde Frau: Am Eingang zur Hannah-Höch-Schule halten ihr Kinder Plakate entgegen: "Wir wollen 10 Jahre gemeinsam lernen", steht darauf. Wenn Schultze-Berndt redet, wird in der voll besetzten Schulmensa gebuht oder gelacht. Das Verhältnis ist zerrüttet.
Für die CDU-Frau ist die Sache klar: Die "Einheitsschule" betreibt Gleichmacherei. Studien belegten, dass längeres gemeinsames Lernen die Schwachen frustriert und die Starken hemmt. Und: "Ich sehe ja alle Schulinspektionsberichte. Da bekommen die meisten Schulen schlechte Bewertungen beim binnendifferenzierten Lernen."
Weil den Bezirk als Schulträger pädagogische Konzepte eigentlich nichts angehen, hat Schultze-Berndt noch ein Argument: Eine Gemeinschaftsschule muss 30 Prozent ihrer Plätze für Kinder bereithalten, die nicht im Einzugsgebiet wohnen. Also strömten umgekehrt Schüler aus dem Märkischen Viertel auf andere Schulen im Bezirk. "Ich muss die Interessen aller Eltern im Auge behalten", sagt sie.
Die beiden Schulleiter auf dem Podium sind sichtbar verärgert. Michael Tlustek von der Hannah-Höch-Schule, die schon jetzt nur mit altergemischten Gruppen arbeitet, wurmt der Vorwurf der Gleichmacherei: "Wir stehen für Vielfalt", sagt der kleine Mann mit den grauen Haaren. "Die Bildungswege in einer Gemeinschaftsschule sind so vielfältig wie die Kinder, die sie besuchen." Tlustek erwartet "höhere Effizienz" beim Lernen, aber auch mehr soziale Kompetenz. Suzann Haße von der Greenwich-Schule sekundiert: "Wir könnten über zehn Jahre hinweg die Eigenverantwortlichkeit der Schüler entwickeln. Das wünschen sich auch die Ausbildungsbetriebe."
Zumindest Helmut Morent wünscht es sich. Der Geschäftsführer der benachbarten Freiberger GmbH, Europas größter Tiefkühlpizzafabrik, sitzt auf dem Podium, weil er die Schulen unterstützt. Von hier kommen ja seine Auszubildenden. Er kooperiert bereits mit der Sekundarschule und hofft durch die Zusammenführung auf "Synergieeffekte". "Ich verstehe nicht, warum wir hier sitzen und kämpfen müssen." Applaus. "Ich wähl ja sonst CDU", ergänzt der Bayer, "aber hier gehts net." Jubel.
Links und rechts sitzen die bildungspolitischen Sprecher aller Fraktionen. Bis auf Sascha Steuer (CDU), der Schultze-Berndt etwas steif verteidigt, geißeln sie den Versuch, den Willen der Beteiligten zu ignorieren. "Es ist ein Hohn, so zu tun, als hätten die Eltern das Konzept der Gemeinschaftsschule nicht verstanden", findet der Grüne Özcan Mutlu.
Ein Vater fragt, ob sich der Bezirk erweichen ließe, wenn der Senat für diese eine Gemeinschaftsschule die 30-Prozent-Regel aufhöbe. Rein theoretisch. Schultze-Berndt verneint. Später rutscht ihr noch etwas heraus: "Für mich geht es nicht um Ideologie", sagt sie, "sondern darum, Überzeugungen zu haben."
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