Schulfrieden geschlossen, Gesetz verabschiedet: Fast ein kleines Wunder
Mit leicht abgewandelten Text unterzeichnen CDU, GAL und SPD den 10-jährigen Schulfrieden. Alle vier Bürgerschaftsfraktionen stimmen für ein neues Schulgesetz.
Feierlich haben die Spitzen von SPD, CDU und GAL am Mittwoch im Bürgersaal den Schulfrieden unterschrieben. Der taz-Bericht über mögliche Interpretationen des Entwurfs war nicht ohne Wirkung geblieben: Im Text wurden nun zwei Absätze getauscht. Die Folge: Die Zusicherung, zehn Jahre lang nichts an der Schulstruktur zu ändern, bezieht sich nun direkt auf die sechsjährige Primarschule.
Wie berichtet, hatten Grüne und SPD die alte Fassung des Entwurfs unterschiedlich gedeutet. Von der SPD war zu hören, für den Fall, dass der Volksentscheid die Primarschule verhindere, gelte auch für die vierjährige Grundschule eine 10-Jahres-Garantie. Nun liest sich das Papier eindeutiger. Alle drei Parteien sichern am Ende der Erklärung zu, dass das Ergebnis eines Volksentscheids "gilt" - ohne allerdings Zeiträume zu nennen. Die Verfassung hat hier hohe Schutzhürden eingebaut.
Doch die Chancen, dass der Volksentscheid für die Primarschule gewonnen wird, sind mit dem gestrigen Tag gestiegen. Einig wie nie zuvor verabschiedeten CDU, SPD, GAL und Die Linke in einer Sondersitzung ein neues Schulgesetz mit einer Rechtsgarantie für kleine Klassen, einem Elternwahlrecht nach Klasse sechs und weiteren Verbesserungen. "Wir strecken den Menschen dieser Stadt die Hand aus für eine bessere Schule", erklärte CDU-Bürgermeister Ole von Beust und hielt eine flammende Rede, in der er die Notwendigkeit der Reform unterstrich.
Das Büchergeld, 2005 von der CDU eingeführt, ist abgeschafft. Damit ist Schulbildung wieder kostenfrei.
Die Klassengröße an Primarschulen wird auf 23 Kinder abgesenkt - darauf haben Eltern einen Rechtsanspruch.
Fortbildung: Jeder Lehrer hat bis zum Start der Primarschule mindestens 20 Stunden Fortbildung für individualisierten Unterricht absolviert.
Personalmix: An jeder Primarschule wird in Klasse 5 und 6 der Unterricht in Deutsch, Mathe, Fremdsprachen und Naturwissenschaften zur Hälfte von Gymnasiallehrern erteilt. (kaj)
"Jetzt ist die Schulreform so gut, dass man sie dem Bürger empfehlen kann", sagte SPD-Landeschef Olaf Scholz. Man habe zunächst mehr Risiken als Chancen gesehen, ergänzte Fraktionschef Michael Neumann. Es sei aber gelungen, die Bedenken zu entschärfen. Beispielsweise mit der Zusicherung, dass Primarschulen mit mehreren Standorten "vertikal geteilt" werden, so dass Kinder von der ersten bis zur sechsten Klasse am selben Standort lernen. "Wir werden für die neue Schulstruktur werben", versprach Neumann. Wo nötig, werde man Korrekturen fordern, aber nicht "wieder die Schulstruktur in Frage stellen".
Es sei "fast ein kleines Wunder", dass es gelungen sei, die Parteien zu einen, sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. "Wir senden ein Signal der Verlässlichkeit in die Stadt." Er appellierte an Initiativensprecher Walter Scheuerl, der oben auf der Tribüne saß, sich seinerseits kompromissbereit zu zeigen. Doch danach sehe es wohl nicht aus.
Ole von Beust appellierte gestern an beide Seiten im Volksentscheid, hanseatisch fair und anständig miteinander umzugehen. Er habe gerade einen Anruf vom Budnikowsky-Inhaber erhalten und erfahren, dass Kunden ihm in Mails drohen, seine Läden zu boykottieren, sollte er die Unterstützung für die Schulreform nicht aufgeben. Von Beusts Kommentar dazu: "So geht man mit Kritikern nicht um."
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