Schulden-Haushalt: Fast 100 Milliarden Euro Defizit
Öffentliche Haushalte leiden unter der teuren Bankenrettung und den Folgen der Rezession. Für 2010 rechnet das Kieler Institut für Weltwirtschaft mit noch größerem Defizit.
BERLIN rtr/apd | Die milliardenteure Bankenrettung, Konjunkturpakete und hohe Kosten für Kurzarbeit haben das deutsche Staatsdefizit massiv ansteigen lassen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts von Dienstag haben Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen schon bis zum 30. September 96,9 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen – ein Jahr zuvor betrug die Lücke noch 17,2 Milliarden Euro.
Die Einnahmen gingen um 2,4 Prozent zurück, die Ausgaben stiegen um 7,9 Prozent. Die Verschuldung der öffentlichen Hand erreichte nach den ersten neun Monaten einen Stand von mehr als 1,6 Billionen Euro.
Gut die Hälfte trägt der Bund zum Haushaltsloch bei. Sein Finanzierungsdefizit betrug 49,2 Milliarden Euro. 16 Milliarden davon kamen aus den Extrahaushalten Finanzmarktstabilisierungsfonds sowie Investitions- und Tilgungsfonds. Für die Länder errechnet sich ein Finanzierungsdefizit von 24,3 Milliarden Euro.
Die Gemeinden und Gemeindeverbände wiesen ein Defizit von 6,7 Milliarden Euro aus. In den ersten drei Quartalen 2008 hatten die Länder noch einen Finanzierungsüberschuss in Höhe von 4,8 Milliarden Euro und die Kommunen ein Plus von 5,6 Milliarden Euro erzielt.
Gestiegen ist auch das Finanzierungsdefizit der Sozialversicherung. Es erhöhte sich im Berichtszeitraum auf 16,6 Milliarden Euro - vor allem wegen des hohen Defizits bei der Bundesagentur für Arbeit.
Die öffentlichen Ausgaben kletterten besonders stark beim Bund, der mit knapp 260 Milliarden Euro beinahe 10 Prozent mehr Geld brauchte als im Vorjahreszeitraum. Aber auch die Länder gaben mit 220,4 Milliarden Euro 9,4 Prozent mehr aus. Grund sind vor allem die Beteiligungen von Bund und Ländern an den Finanzmarktstabilisierungsmaßnahmen. Bei den Gemeinden und der Sozialversicherung fielen die Ausgabenzuwächse geringer aus. Dass die Einnahmen sanken, war vor allem eine Folge von geringeren Steuereinnahmen.
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft rechnet damit, dass das Defizit für 2009 noch auf insgesamt 114 Milliarden Euro steigt. "2010 dürften dann etwa 144 Milliarden Euro neue Schulden angehäuft werden", sagte IfW-Experte Alfred Boss. Dazu beitragen würden nicht nur die Rezessionsfolgen, sondern auch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung, das unter anderem Steuervorteile für Hoteliers und Konzerne vorsieht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml