Schulausflug ins Atommüll-Endlager: Büffeln mit Schacht Konrad
Das Bundesamt für Strahlenschutz bezahlt Schulklassen, die das Endlager Schacht Konrad besichtigen. Atomgegner in der Region sind empört.
Es ist ein abenteuerlicher Ausflug für die Schüler der 11. Klasse des Gymnasiums im Schloss: Bis auf die Wäsche müssen sie in Bergmannskleidung schlüpfen, ziehen sich rote Overalls an und schwere Stiefel, setzen die Helme auf und legen sich einen Sauerstoff-Selbstretter um, für alle Fälle. Dann geht es für die Klasse aus Wolfenbüttel unter Tage, fast 1000 Meter bringt sie der Lift in die Tiefe - dorthin, wo gerade Deutschlands erstes Atommüll-Endlager entsteht.
Ab 2014 sollen in dem ehemaligen Eisenerz-Bergwerk Schacht Konrad schwach bis mittelradioaktive Abfälle eingelagert werden.
Erdkunde-Lehrer Carsten Frank schwärmt von dem Ausflug nach Salzgitter: "Es ist toll, das einmal zu sehen. Ein Erlebnis. Den Schülern hat es super gefallen", sagt er. "Und für die 200 Euro sind wir natürlich dankbar." So viel nämlich hat das Bundesamt für Strahlenschutz gezahlt, damit sich die Schüler die Schachtanlage anschauen.
In einem Brief an 70 Schulen der Region wirbt der Betreiber mit großzügigen Zuschüssen für die Klassenfahrt ins Endlager. "Wir wissen, dass ein Besuch von Info Konrad und der Schachtanlage auch immer einen finanziellen Aspekt hat", schreibt das Bundesamt für Strahlenschutz darin. Wahlweise bietet es den Schulen einen kostenlosen Shuttelbus zwischen der Infostelle in der Stadt und dem Schacht oder pauschal 200 Euro. Ein lukratives Angebot: Die Klasse aus Wolfenbüttel, rund 10 Kilometer vom Schacht entfernt, konnte fast ihre gesamten Fahrtkosten mit dem Zuschuss bestreiten, einsammeln musste Lehrer Frank bei seinen Schülern nur noch Centbeträge - eine Exkursion fast zum Nulltarif.
Der Schulzuschuss bringt Atomgegner in der Region auf die Palme. "Eines ist völlig klar: Das Bundesamt für Strahlenschutz ist hier Partei und keine neutrale Behörde", sagt Ursula Schönberger, Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative AG Schacht Konrad. "Die wollen natürlich ihre Anlage in ein gutes Licht rücken."
Über die Art und Weise der Öffentlichkeitsarbeit zeigt sich Schönberger erstaunt: "Für Klassenfahrten gibt es sonst auch keinen Zuschuss. Das ist völlig unüblich." Mancher Pädagoge überlege sich da sicher zweimal, ob er statt ins Naturkundemuseum mit seinen Schülern nicht lieber ins Endlager fährt.
Lehrer Frank kann die Aufregung nicht verstehen. "Für die ist es natürlich Werbung", sagt er. "Aber dass das Bundesamt für Strahlenschutz die Bevölkerung aktiv teilhaben lassen will, finde ich persönlich gut." Als Anwohner wolle man schließlich wissen, was los ist.
Für das Bundesamt für Strahlenschutz scheint die Rechnung aufzugehen: Zwei bis drei Schulklassen machten im Schnitt jeden Monat von dem Angebot Gebrauch, berichtet Arthur Junkert, der die Führungen leitet. "Schulen sind bekanntlich immer knapp bei Kasse und wir wollen, dass die Belastung für die Eltern nicht zu groß wird", sagt er. So begründet auch das Bundesumweltministerium als übergeordnete Behörde in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei das ungewöhnliche Sponsoring: Kinder aus "finanzschwächeren Bevölkerungsschichten" sollten die Möglichkeit haben, sich umfassend über das Lager zu informieren.
Seit die letzten Beschwerden gegen Schacht Konrad vor gut zwei Jahren gerichtlich gescheitert sind, stockt das Bundesamt für Strahlenschutz seine Pressearbeit an allen Standorten deutlich auf - an seinen Lagerstellen in Morsleben und Gorleben und vor allem natürlich in Salzgitter selbst: 2007 wurde die Infostelle in der Stadt eingerichtet, ein Imagefilm wurde produziert, Schulen angeschrieben, und eine Homepage wirbt für das Endlager mit dem Slogan: "Wir haben etwas zu entsorgen, aber nichts zu verbergen." Atomgegnerin Schönberger befürchtet, dass das Amt Schacht Konrad "als Vorzeigeobjekt präsentieren will" - das als vermeintlich sicheres Beispiel die Pannen der Vergangenheit überstrahlen soll.
Der spannende Teil des Tages kommt für Arthur Junkert immer dann, wenn die Schulklassen aus dem Schacht hochgefahren sind und ihre Bergmannssuppe zur Stärkung geschlürft haben. "Bei der Abschlussdiskussion", erzählt er, "werden immer die interessantesten Fragen gestellt." Da würden die Schüler etwa sagen, dass 1000 Meter Tiefe doch ziemlich weit weg sind. Dass ihnen das Lager sicher vorkommt. Manche fragen auch, ob es im Schacht Konrad Ausbildungsplätze gibt. "Da merkt man dann, dass sie das Thema wirklich beschäftigt."
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