Schrottimmobilien: SPD und Linke helfen Heilmann
Für den neuen Justizsenator ist die geplante Pflichtberatung für potenzielle Immobilienkäufer noch nicht sicher
Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hat eingeräumt, dass der von ihm angedachte Beratungszwang bei Wohnungskäufen möglicherweise nicht verhältnismäßig ist. "Es ist eine legitime Frage, wie hart der Staat anhand der Fallzahlen eingreifen darf", sagte Heilmann am Donnerstag der taz. Kein Gradmesser ist für ihn allerdings die geringe Anzahl von Beschwerden bei der Notarkammer - nach deren Zahlen waren es im Jahr 2011 nur 35 bei 340.000 Beurkundungen.
Heilmann hatte am Mittwoch im Rechtausschuss des Abgeordnetenhauses fünf mögliche Maßnahmen vorgestellt, die den betrügerischen Handel mit überteuerten Wohnungen, sogenannten Schrottimmobilien, eindämmen sollen. Eine davon ist eine Beratungspflicht bei der Hausbank, beim Steuerberater oder der Verbraucherzentrale. Als weitere Punkte nannte er bessere Aufklärung, eine verpflichtende Besichtigung der unter Umständen maroden Immobilie und Gutachten über ihren echten Wert. Zudem sollen Notare Sorge tragen, dass dem Käufer der Kaufvertrag, wie gesetzlich vorgeschrieben, tatsächlich 14 Tage vor Beurkundung vorliegt.
Diese fünf Vorschläge sind für Heilmann aber nicht in Stein gemeißelt. "Dass wir alle fünf umsetzen, schließe ich aus", sagte er der taz. Der Geschäftsführer der Berliner Verbraucherzentrale, Peter Lischke, die eine der Stellen für die Pflichtberatung wäre, begrüßte Heilmanns Initiative zu mehr Schutz. "Dann müssten die Verbraucherzentralen bloß Kapazitäten vorhalten, die wir in Berlin jetzt nicht haben", sagte Lischke. Um Spar- und Anlageberatung kümmern sich bei ihm drei Honorarberater. Die Verbraucherzentrale wird vom Land finanziert, eine halbstündige Beratung in diesem Bereich kostet laut Lischke 40 Euro.
SPD-Rechtspolitiker Sven Kohlmeier hätte auch bei einer vergleichsweise kleinen Anzahl Geschädigter keine Bedenken bei einem Beratungszwang, wie es ihn auch beim Schwangerschaftsabbruch gibt. "Ich finde es erst mal gut, dass Herr Heilmann, kaum im Amt, schon Vorschläge gemacht hat", sagte er. Zur vermeintlichen Unverhältnismäßigkeit eines solchen staatlichen Eingriffs führte er ein Gegenbeispiel an: Die Europäische Union habe sich wegen weniger Unglücksfälle genötigt gesehen, EU-weit Brandschutzzigaretten vorzuschreiben.
Auch der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Lederer, will wegen möglicherweise fehlender Verhältnismäßigkeit nicht gleich von einer Pflichtberatung absehen. "Das sollte man durchaus erst mal in der Debatte lassen", sagte Lederer, "wir kennen die Dunkelziffer der Betrugsfälle ja nicht."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin