: Schröders Manipulationen
Noch ist nicht bekannt, ob sich die acht Aufrechten von Schröders Coup erpressen lassen. Als Auswirkung dieser Verkopplung parteipolitischer sowie lebens- und sterbenswichtiger Fragen haben die Abweichler nun abzuwägen zwischen der Verantwortung für das Fortbestehen der Koalition, die sie ggf. als absolute Minderheit zum Scheitern brächten, und ihrer Gewissensentscheidung bezüglich des eigentlich zur Abstimmung stehenden Sachverhalts: Die Gewissensfreiheit der Abgeordneten wird damit ad absurdum geführt.
Ein üblerer Missbrauch des Instruments der Vertrauensfrage zur Erpressung eines gewünschten Votums ist kaum denkbar. Dabei muss auch der taktische Aspekt berücksichtigt werden: Neuwahlen würden zum jetztigen Zeitpunkt für Schröder aller Voraussicht nach besser laufen als in einem Jahr – die CDU hat die Kanzlerkandidatenfrage noch nicht geklärt und müsste aus dem Stand einen Wahlkampf führen, den sie derzeit kaum gewinnen kann. Schröder hätte dann die Option, mit der FDP, deren StreiterInnen für die individuellen Freiheitsrechte offenbar ausgestorben sind, eine Koalition einzugehen, die in den wichtigen sozialen und ökologischen Fragen seinem Kurs entspricht. Eine derartig üble machtpolitische Manipulation sollte Konsequenzen nach sich ziehen, die verfassungsrechtlichen Aspekte sollten überprüft werden: Die Verbindung der Vertrauensfrage mit einem konkreten Sachverhalt gehört auf den Müll der Geschichte.
SUSANNE HAGEMANN, Schleswig
Artikel 68 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz lautet: „Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen.“
Es besteht also kein Zwangszusammenhang zwischen Ablehnung des Bundeswehreinsatzes und Ende der Koalition. Die Entscheidung darüber liegt bei Schröder, nicht bei den Abgeordneten. Er allein entscheidet, ob er dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages vorschlägt. Ob die SPD das mitmacht?
Also, kein Grund für die Abgeordneten, sich erpressen zu lassen, statt ihrem Gewissen zu folgen.
HORST SCHIERMEYER, Zittau
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen