: Schreckliche Kunst muss sein
betr.: „Geschmackloses Gas“, taz nrw vom 14.03.2006Santiago Sierras Kunstwerk in der Pulheimer Synagoge finde ich überzeugend. Denn der Massenmord an Juden, um sich das mal wieder mit voller Dröhnung klar werden zu lassen, war ein Massenmord an Menschen. Bei der die Seele im Leib umdrehenden Fantasie, die Sierras Kunstwerk bei mir auslöste, war alle Banalität der Erinnerung an den Holocaust wie ausgewürgt und das tief gehende Mitleid mit den Menschen, die das erlitten hatten, sofort gegenwärtig. Das perfideste an den bestialischen Vergasungsvorgängen war ja wohl die Glaubenslüge an die Opfer, sie beträten einen unverfänglichen Raum, nämlich einen Dusch- und Baderaum. Nun gelingt es dem Künstler auf frappierende Weise, dem Betrachter klar zu machen, dass es für einen religiösen Menschen ja wohl keinen unverfänglicheren Raum als den religiösen geben wird, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Soviel schreckliche Kunst muss sein dürfen, um das mir nicht zugefügte schreckliche Leid der Opfer gegenwärtig werden zu lassen. GÜNTER SCHOLMANNS, Wesel