Schon 15 Bauern machen mit: Fair Trade in der Oase
Die Dattelpalmen im Süden Tunesiens sind nach Sonne und Meer die wichtigsten Handelsgüter dieser strukturschwachen Region. Inzwischen produzieren die Bauern Bio für den deutschen Markt
Die Dattelbauern in der tunesischen Wüste sind kein typisches Touristenziel, die Oasen schon. Ein Ausflug in die Oase Derjine beispielsweise von der Urlaubsinsel Djerba aus mit einem Mietwagen lohnt sich. Hotels gibt es im Verwaltungszentrum der Wüstenregion, Kebili, und im sogenannten Tor zur Sahara, dem Ort Douz, wo jeden Donnerstag einer der größten Märkte mit Vieh, Datteln und anderen Produkten der Region stattfindet. Die Haupterntezeit für Datteln ist im November und Dezember.
Wer sich die fair produzierten Biodatteln nicht selbst abholen möchte, kann problemlos über das Internet bestellen: www.gebana.com
Der Tag, an dem Taieb Foudhaili kam, war ein guter Tag für die Menschen in der Oase Derjine. Es kommt nicht oft vor, dass ein Fremder sich in das entlegene Dorf verirrt. Hier, im Süden Tunesiens und viele Autostunden von den Touristenzentren der Küste entfernt, beginnt die Sahara. Nur ein niedriger Zaun aus Palmwedeln hält die hellgelben Dünen zurück, die immer weiter wandern. Schnurgerade Bewässerungsgräben ziehen sich durch den Sand im Schatten der Dattelpalmen. Taieb Foudhaili, ein kleiner Mann mit akkurater Frisur, erzählt den Bauern von einem Geschäftsmodell: Er würde ihnen ihre gesamte Dattelernte abnehmen und einen Mindestpreis garantieren, sagt er, wenn sie dafür in Zukunft nur noch biologisch anbauen. Das war im Dezember 2006. Seitdem setzen die Bauern von Derjine große Hoffnungen in das, was man in Deutschland Bio und Fair Trade nennt.
Taieb Foudhaili ist ein Kind der Wüste. Im hundert Kilometer entfernten, südwesttunesischen Tozeur aufgewachsen, studierte er ein paar Jahre Philosophie. 1998 stieg er ins Dattelgeschäft ein, wo er eine Marktlücke fand: Bio. Seitdem ist der 38-Jährige ein Überzeugungsarbeiter gegen Dünger und Pestizide. Sein stärkster Verbündeter ist dabei der wachsende Hunger der Europäer nach Bioprodukten. Selbst die tunesische Regierung zieht mit: Auf der verzweifelten Suche nach Exportgütern hat sie die Marktchancen von Biodatteln und Biooliven entdeckt.
Ein Jahr nach seinem ersten Besuch bringt Taieb seine Geschäftspartner mit in die Oase: zwei Vertreter der Fair-Handelsorganisation Gebana aus der Schweiz. Er zeigt ihnen die flachen Steinhütten, in denen etwa 300 Menschen leben; die Schule, in der sechs Klassen in zwei Räumen lernen; und den Bauern Mohammed Fathi, der seine sieben Kinder mit den Einnahmen der jährlichen Dattelernte ernähren muss. Von der Milch der drei Schafe, den Eiern der Hühner und den Zwiebeln aus dem Garten einmal abgesehen.
15 Bauern hat Taieb von seinem Modell überzeugen können. "Ich will langsam vorgehen und die Bauern nicht überfordern", sagt er. Mit den 15 hat er einen schriftlichen Vertrag geschlossen. Viele von ihnen zeichneten zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Unterschrift auf ein Papier. Darin steht, was es heißt, biologisch zu produzieren. Im November hat Taieb einen Kurs angeboten. Thema: Wie mische ich einen Kompost aus Schafmist, Grünzeug und Sand? Für die Bauern in Tunesien ist diese Art des Biodüngers neu. "Es ist nicht so schwierig, die Menschen vom Bioanbau zu überzeugen", sagt Taieb, "sie arbeiten ja meist noch mit traditionellen Anbaumethoden - ohne Pestizide und künstliche Dünger." Viel schwieriger dagegen sei es, sie von dem ganzen Papierkram zu überzeugen: dem Vertrag, den Berichten, den Kontrollen.
Das Label für fairen Handel kennen europäische Verbraucher bislang vor allem von Kaffee, Bananen, Blumen und Fußbällen. Trockenfrüchte wie Datteln haben nur einen kleinen Anteil am Fairhandels-Volumen. Trotzdem gibt die Organisation Flo, die das Fair-Trade-Label vergibt, jedes Jahr eine aktualisierte Richtlinie heraus: Demnach ist ein Kilo Biodatteln fair gehandelt, wenn die Bauern mindestens 89 Cent dafür bekommen. Dazu kommt eine so genannte "Fair-Trade-Prämie": 15 Cent pro Kilo gehen zusätzlich an die lokale Bauerngenossenschaft.
Ein paar Kilometer weiter nördlich, in der Oase Bargouthia, ist im Namen des fairen Handels schon eine kleine Bürokratie entstanden: In einem flachen Zelt sitzen die Vertreter der Genossenschaft auf Matratzen und präsentieren die Erfolge der zweiten Bioernte: 31 Bauern sind dabei, dreimal so viele wie noch im Vorjahr. Früher machten sich die Bauern das ganze Jahr über Sorgen, ob sie ihre Datteln zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Preis verkaufen würden. Die Abnahmegarantie der Gebana ist da wie eine Versicherung. Durch die Fair-Trade-Prämie gibt es dazu noch ein bisschen Geld zu verteilen. Neben dem Präsidenten gibt es jetzt einen Schatzmeister, vier Beisitzer und sogar einen technischen Direktor. Der Schatzmeister berichtet, das Geld sei zum großen Teil in eine neue Bewässerungsanlage geflossen und in Schulbücher für die Kinder. Während die Alten im Schatten des Zelts repräsentieren, klettern die Jungen auf die Palmen und sägen die Rispen ab, an denen die Datteln hängen.
Bio muss sich rechnen, das versteht Taieb. Darum argumentiert er nicht mit Umweltschutz, sondern dem Export, der Unabhängigkeit von lokalen Zwischenhändlern. Taieb nimmt die gesamte Ernte ab, liefert direkt nach Europa, und er bezahlt die Ware sofort. Er kann das, weil die Schweizer Gebana ihm wiederum die gesamte Ware abnimmt und auch immer wieder mit Vorfinanzierung aushilft. So wandert das Marktrisiko von der tunesischen Oase nach Zürich, dem Sitz der Gebana. "Um unser Risiko abzufedern, wollen wir jetzt die Endkunden über das Internet direkt beliefern", sagt Mirjam Güntert, die Geschäftsleiterin der Gebana, die sich unter dem Zeltdach vor Ort informiert. "Die Brücke vom Bauern zu Ihnen", so heißt der Leitspruch der Fairhandels-Firma.
Der faire Handel mildert die Mechanismen des Marktes zwar ab, er setzt sie aber nicht außer Kraft. In Taiebs winziger Fabrik im Verwaltungszentrum der Region, Kebili, sitzen 75 Frauen in blauen Kitteln und mit weißen Kopftüchern wie auf Schulbänken; sie waschen, sortieren und entsteinen Datteln. Sohai Zohra ist in der Saison zum ersten Mal dabei. "Dass wir hier unter Frauen arbeiten können", lobt sie, "das passt einfach besser." Eigentlich würde die 25-Jährige lieber Webseiten bauen als Datteln schneiden, das hat sie im Studium gelernt. Sohai verdient den Mindestlohn von vier Euro am Tag - trotz Fair Trade. Aber anders als in weniger privilegierten Fabriken bekommen sie und die anderen einen Stuhl, eine Krankenversicherung und bei guter Arbeit Extraprämien. Die direkten Gewinner des fairen Handels sind die Eigentümer der Dattelplantagen, die den garantierten Abnahmepreis einstreichen. Wer die Datteln erntet, sortiert und entsteint und was er oder sie verdient, ist nicht geregelt. "Ob die Arbeiter auf dem Feld gut bezahlt werden, ist Sache der Eigentümer", gibt Taieb zu. Darum will er in Zukunft noch stärker auf Oasen wie die in Derjine setzen, wo die Kleinbauern und ihre Familien noch alles selbst machen.
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