Schönheitschirurg über Medizintourismus: „Immer das, was man nicht hat“
Der Arzt Afschin Fatemi über millionenschweren Medizintourismus nach Deutschland, globalisierte Schönheitsideale – sowie Bäuche, Tränensäcke und Brüste.
Dr. med. Afschin Fatemi empfängt in seiner „S-Thetic Clinic“ in einem repräsentativen Altbau im Düsseldorfer Nobelvorort Kaiserswerth. Direkt am Rhein und trotzdem in Flughafennähe, werden hier jährlich bis zu 10.000 Behandlungen durchgeführt, die nur einem dienen: verändertem Aussehen.
taz: Herr Dr. Fatemi, wie laufen die Geschäfte?
Afschin Fatemi: Ich kann mich nicht beschweren. Ich kann meine Familie mit mehr als Brot und Butter ernähren. Ich kann mir das Benzin noch leisten.
Was wollen Ihre PatientInnen von Ihnen?
Es gibt Patienten, sie sich an ihrem Bauch stören, den Sie trotz Sport nicht loswerden. Andere haben Tränensäcke und werden deshalb ständig gefragt, ob sie müde oder abgespannt sind. Die klassische Brust-Operation ist auch dabei. Es geht immer darum, dass man sich in seinem Körper nicht wohlfühlt.
geboren 1972, hat in Lübeck und New York Medizin studiert. Seine Eltern kommen aus dem Iran. Der promovierte Dermatologe leitet die Düsseldorfer „S-Thetic Clinic“, die mit Filialen in München und Hamburg auf Schönheits-OPs spezialisiert ist.
Er ist Verfasser von Büchern wie „Einmal J.Lo’s Po, bitte – Aufzeichnungen eines Schönheitschirurgen“. Bei einem von ihm organisierten Kongress in Düsseldorf und Essen hat er am Wochenende in einem „Live-Operationskurs“ Techniken des Fettabsaugens und der Schweißdrüsenlaserung vorgestellt.
Wie viele Männer, wie viele Frauen behandeln Sie?
Auf einen Mann kommen ungefähr fünf Frauen.
Woher kommen Ihre PatientInnen?
Viele kommen aus europäischen Nachbarländern, aber auch aus Russland, dem Mittleren Osten und den USA. Gerade US-amerikanische Patienten wollen nicht mehr diesen überoperierten Look haben. Eine gute Schönheitsoperation aber können Sie als Laie nicht erkennen.
Mit diesem Medizintourismus bedienen Sie einen Markt: PatientInnen aus dem Ausland zahlen jedes Jahr rund 850 Millionen Euro für Schönheitsoperationen in Deutschland. Gibt es in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche Vorstellungen von Schönheit?
Es gibt fundamentale Unterschiede. In Korea habe ich gesehen, wie einer Patientin Haare in den Schambereich transplantiert wurden. Aus der westlichen Welt werden eher Enthaarungen nachgefragt. Es wird immer das gewünscht, was man nicht hat. Bei brasilianischen Frauen galten kleine Brüste lange als Schönheitsideal. Aber das ändert sich gerade durch die Globalisierung.
Die Globalisierung verändert Schönheitsideale?
Selbstverständlich. Die Leute gucken amerikanische Filme – deshalb sind in Brasilien wieder größere Brüste in. In Ostasien ist oft ein europäisiertes Gesicht gefragt. Den Augen soll die asiatische Komponente genommen werden, die Nase soll spitzer sein. Da müssen wir als Ärzte natürlich nachfragen, ob diese quasirassischen Veränderungen wirklich gewünscht werden.
Gibt es Operationen, die Sie nicht durchführen?
Westliche Patientinnen bitten etwa um Rippenentfernungen, um eine schärfere Taille zu bekommen. In China werden oft längere Beine gewünscht. Solche wahnsinnig invasiven Eingriffe machen wir nicht – da müssen Sie Knochen brechen, nur um ein paar Zentimeter Länge zu gewinnen.
Ist nicht jede Schönheitsoperationen risikoreich?
Risiken kann man nie ganz ausschließen. Selbst bei einer Bauchdeckenstraffung kann es zu Infektionen und Wundheilungsstörungen kommen. Umso wichtiger ist, dass wir die Patienten aufklären, ihre persönliche Reife erfragen. Eine Operation ist kein Friseurbesuch.
Trotzdem hat Sie die Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie rausgeworfen. Ihre Kollegen argumentieren, als Hautarzt dürften Sie überhaupt keine Schönheitsoperationen durchführen.
Dahinter steht eine Lobby plastischer Chirurgen. In Deutschland gibt es keine Ausbildung für Schönheitschirurgie. Im Ausbildungskatalog für plastische Chirurgen steht das Facelift nicht drin. Wer sagt denn, dass die das besser können als ein Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, der genauso im Gesicht operiert? Ich kenne meine Grenzen: Ich habe nie gelernt, Knochen zu operieren – deshalb würde ich nie Nasen machen. Den Ärzten, die gut im Geschäft stehen, bin ich egal.
Es geht also um Neid?
Ich muss zugeben, dass ich diese Neiddebatte mit Auftritten im Privatfernsehen selbst befeuert habe. Da wurde dann gezeigt, wie ich zum Einkaufen nach Monaco fliege – dabei war ich dort auf einen Kongress eingeladen.
Was kostet eine Operation bei Ihnen?
Eine Brustvergrößerung kostet zwischen sechs- und siebentausend Euro, ein Facelift um zehntausend. Bei einer Fettabsaugung sind Sie mit zwei- bis sechstausend Euro dabei.
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