■ Schöner leben: Unter uns
Man ist allgemein geneigt, sie ein wenig für verrückt zu halten: die (in aller Regel) Männer in Frei- und Hallenbädern mit den kleinen entstellenden Schwimmbrillen. Sie scheinen empfindliche Augen zu haben, die ihnen beim exzessiven Tauchen und „Bahnenschwimmen“ Ärger machen. Wahrscheinlich Kontaktgestörte mit schwerer Kindheit. In Wahrheit frönen sie einer geheimen Leidenschaft. An der Wasseroberfläche blinzeln sie sich äußerstenfalls mal zu. Um ihnen auf die Schliche zu kommen, muß man sich schon selbst solch eine Schwimmbrille besorgen und abtauchen. Und siehe da: eine Welt tut sich auf! Lyrisch gesprochen: eine Unterwelt. Der normal Unbebrillte ahnt ja nichts von der Unterwasserwelt, die er aus optischen Brechungsgründen nur milchig erlebt. Infolgedessen fühlt man sich unbeobachtet und handelt danach. Die Ausbeute einer kleinen Viertelstunde auf dem Grund eines Waldschwimmbades bei Bremen, das von zeltenden Osterholz-Scharmbeckern und Ruhrgebietlern frequentiert wird: 3 StrullerInnen mit plötzlicher Wassertrübung im Urogenitalbereich; 7 manuelle Betätigungen in nämlicher Gegend, die über Wasser behördlicherseits verfolgt würden; 5 mutmaßlich voreheliche Intimkontakte; nicht zu zählen die komplett schamlosen Verschiebungen diverser Fleisch- und Fettmassen in massenhaft fehlsitzender Bademode. Die Kehrseite unserer Gesellschaft, geradezu umflattert von zahllosen Unterwasserspannern.Ein großes Thema, gewiß. Nicht leicht zu bewerten. Schon die Frage, ob, wenn die Unterwasserspanner allesamt enttarnt sind, die unkontrollierte Urineinleitung in deutsche Frei- und Hallenbäder aufhört, ist nicht ohne Reiz. Burkhard Straßmann
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