piwik no script img

■ Schöner lebenVorstadt-Erwachen

Schaut! Wie sich grüne Ranunkeln ans Tageslicht quetschen. Horcht! Wie brünftige Kehlchen Reviere markiern. Riecht! Wie das faulige Erdreich süßlich erwacht. Ist das nicht eklig? Wie es drückt allerorten und schiebt und quillt. Wie's sich gehen läßt, sagt mal: Ist das noch würdig?

Aufdringlich lachen uns jetzt ins Gesicht die Depressiven, die in Behandlung. Pissen die Tölen nicht öfter ans Auto? Dümmliches Gelb von Forsythien foltert das Auge. Wirft nicht die Hauskatz schon wieder gleich sechsfach, wo's wahrlich geschissen ist voll hier bis zum Eichstrich? Männer um 30 rasieren den Nacken wie unter Befehl, wolln brünstige Frauen um 40 mit klebrigen Worten versorgen. Blühn nicht die eitrigen Pickel der Jugend rosig wie nie? Aus sowieso sattsam fördernden Drüsen treibt steigende Sonne den stinkenden Schweiß. Sticht nicht der Hafer? An den Ecken steht haltloses Volk in Hosen für Jogger. Wird nicht das Zeitmagazin fetter? Radarfallen mehren sich wie die Karnickel. Bohnert kein Hamster? Sagt, tritt denn kein Pferd?

Leute mit fettigen Schuppen auf Halblederjacken küssen Lefze und Anus von Doggen. Billigen Postwurfs Fluten füllen den Briefkast. Mit Macht wirft sich Frühling auf die östliche Vorstadt. Keuchend öffnet er's Maul, das vom Überbiß ziemlich entstellt ist.

Burkhard Straßmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen