■ Schöner leben: Heißer als im TV
Ein Standortvorteil Deutschlands: Erdbeben finden in der Regel woanders statt, desgleichen Schiffshavarien, brennende Ölfelder, Hotelbrände. Im Kino oder TV kommt sowas vor, macht was her, allerhand stürzt leinwandgerecht zusammen, bunt und knallig geht's zu, Männer müssen spontan („Ist ein Arzt/Pilot/Sozialpädagoge an Bord?“) Rettungsaktionen einleiten. Wenn man mal – die Umstände wollten es so – in der Fremde nicht mehr nach Haus findet, ein einladendes Hotel aufsucht, um sich dann, der Kälte entronnen, vor dem hoteleigenen Fernsehgerät zu entspannen, darf's dort ruhig bunt und knallig zugehen.
Eine empfindliche Störung des Betriebsfriedens bedeutet allerdings der schlagartige Übergang der medialen in die echte Wirklichkeit. Das Telefon rappelt, fast gleichzeitig klopft's an der Tür. Aufgeregte Stimmen: Bitte verlassen Sie sofort das Zimmer und begeben Sie sich ins Foyer, es brennt! Nun denn. Zu behaupten, Dutzende von Hotelgästen hätten sich drei Minuten später in Unterwäsche (Kreditkarten gerade noch gerettet) frierend in der Hotelhalle wiedergefunden, wäre gelogen. Wahr aber ist: Im Flur riecht es beißend nach Rauch, das Personal hält sich Tücher vors Gesicht, die Feuerwehr rückt an. Vier Mann hoch, Schutzanzüge, Helme, Schläuche in Windeseile ausgelegt, Verständigung wie am Schnürchen, ohne viele Worte klappt das und sieht im Provinz-Hotel fast genauso gut aus wie im Kino.
Wäre das zwei Stunden später passiert, der Kasten wäre abgebrannt, meint jemand. Auch das ein Satz, der wenigstens für die Fernsehserie taugt, wenn er nicht von da stammt. Oben Suche nach dem Brandherd, unten Getränke aufs Haus. Von Evakuierung ist schon die Rede. Doch nach einer halben Stunde ist alles unter Kontrolle. Belehrende Worte vom Feuerwehrhauptmann: Kabelbrand. Kommt in den besten Familien vor. Sicherungen werden unter den Argusaugen der Feuerwehr eingeschraubt, Zimmer wieder freigegeben. Verschmort stinkt es noch lange, brennen tut's nur noch im Fernsehen. Alexander Musik
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