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Schöner Müll Sind Fahrräder klapprig und verstaubt, landen sie im Keller. Dabei steckt in ihnen so viel. Zum Beispiel ein FußabtreterZerschnitten und verhäkelt

Von Christina Spitzmüller

Wir hatten ein schwieriges Verhältnis, das Fahrrad und ich. Und das, obwohl ich es gerettet habe vor der einsamen Verrostung in einem zugemüllten Keller. Irgendwer wollte es offensichtlich nicht mehr haben, das einst so gute und nützliche Stück Metall. Es war heruntergekommen und wertlos geworden. Aber von allein pflegt es sich ja nicht wieder gesund, so ein Rad. Also nahm ich, fahrradlos und mit einem Sinn für verborgene Schönheit, mich seiner an.

Dinge werden benutzt, abgenutzt, kaputtgenutzt und nicht mehr funktionsfähig gemacht. Stattdessen gibt es Neues, bis auch das wieder zu alt ist und vergessen wird. Aber wir können anders sein, das Fahrrad und ich, dachte ich. Der Welt zeigen, dass es sich lohnt, Zeit, Mühe und Nerven in das vermeintlich Alte zu investieren.

Ich staubte es liebevoll ab, bereifte die Räder neu, ölte die Kette. Sogar lustige bunte Perlen für die Speichen kaufte ich ihm, die beim Schieben immer so laut klappern und beim Fahren schön nach außen gedrückt werden.

Aber dann bekam das hintere Rad eine Acht. Der Reifen platzte mit einem lauten Knall. Der Sattel wurde geklaut. Die Bremsen bremsten nicht mehr. Und zu guter Letzt riss die Kette. Irgendwann habe ich es aufgegeben, das Fahrrad zu reparieren.

Ein bisschen nagte das schlechte Gewissen an mir. Ich hätte schließlich eine neue Kette kaufen können, ein neues Hinterrad, es vielleicht sogar zum Fachmann bringen. Stattdessen habe ich mich getrennt. Es der Welt nicht gezeigt. Und mich nach etwas Neuem umgeschaut.

Die Maschen

Die Luftmaschen: Fast alle Häkelstücke beginnen mit einer Luftmaschenreihe. Dazu brauchen Sie zunächst eine Anfangsmasche. Es gibt komplizierte Anleitungen, wie die korrekt gehäkelt werden kann. Es geht aber auch einfacher: Sie knoten eine kleine, bewegliche Schlaufe. Jetzt ziehen Sie mit der Nadel den Faden durch die Masche. Das war schon die erste Luftmasche.

Die festen Maschen: An die Luftmaschenreihe schließen feste Maschen an. Sie haben noch die letzte Luftmasche auf der Nadel. Stechen Sie jetzt von vorne in die letzte Masche der vorigen Reihe und ziehen den Faden hindurch. Eine Masche ist das kleine Loch, das zwischen den Fadenreihen entstanden ist. Jetzt sind zwei Schlaufen auf der Nadel. Ziehen sie den Faden nochmal durch beide Schlaufen. Fertig ist die feste Masche. Am Ende einer Reihe fester Maschen wird immer eine Luftmasche gehäkelt, bevor die Arbeit gewendet wird. Dann wieder in die erste feste Masche der letzten Reihe einstechen – aber nicht in die Luftmasche.

Aber wie bei einer verflossenen Liebe wollte ich zumindest ein Andenken haben. Also nahm ich die zerplatzten Fahrradschläuche ab, bevor ich das Rad zurück in den Keller brachte. Denn aus denen können tolle Dinge gemacht werden. Für viel Geld bieten Unternehmen und Selbermacher Taschen und Mäppchen aus ihnen an. Mit einem Teflonnähfuß, etwas Geschick und viel Geduld kann man all das auch selbst herstellen.

Etwas einfacher und weniger nervenaufreibend ist eine Fußmatte aus Fahrradschläuchen. Sieht zwar erst nach viel Aufwand aus, der ist dann aber gar nicht mehr so wild – schließlich ist der Faden dick, die Nadelstärke groß. Und mehr Häkelkenntnis als einfache Luft- und feste Maschen braucht es auch nicht.

Die Matte ist in ein paar Stunden fertig. Und dann hebt sie sich extravagant von dem Einheitsbrei der anderen Fußabtreter im Hausflur ab. Zuerst sieht man nur ein schwarzes Etwas, aber auf den zweiten Blick wird klar, wie toll sie ist.

Nachdem ich das alte Fahrrad wieder in den Keller gebracht hatte, fand ich übrigens schnell ein neues. Es lag direkt vor meiner Haustür, auf dem Sperrmüll. Ihm fehlte fast nichts. Nur die Schläuche und die Bremsschnur mussten ausgetauscht werden. Und einen neuen Sattel brauchte es. Ich hab ihm auch die Speichenperlen des alten, störrischen Fahrrads vermacht. Bisher bringt es mich zuverlässig von A nach B – und ich bin glücklich, dass ich es gerettet habe.

Anleitung:

1. Für einen Schuhabtreter der üblichen Größe brauchen Sie etwa sechs normale Fahrradschläuche. Verwenden Sie die dünnen Rennradschläuche, verdoppelt sich die Zahl. Wer nicht so viele Schläuche zu Hause hat, kann im Fahrradladen des Vertrauens nachfragen – dort werden sie sonst weggeworfen.

2. Schneiden Sie das Ventil aus den Schläuchen und danach die Schläuche der Länge nach auf, sodass eine rechteckige Gummimatte entsteht.

3. Jetzt müssen die Schläuche gewaschen werden. Und zwar gründlich – das Talkum im Innern ist sehr hartnäckig. Am besten weicht man sie in einem Eimer mit Wasser und Spülmittel ein und wischt sie danach mit einem Tuch ab, damit Dreck und Talkum nicht wieder festtrocknen.

4. Jeden trockenen Schlauch spiralförmig zu einer langen Schnur schneiden, die ungefähr einen halben Zentimeter breit ist. Es schadet nicht, wenn die Schnur schön gleichmäßig ist. Andererseits ist es aber auch nicht schlimm, wenn die Breite etwas variiert – dann bekommt die Matte ein wenig Struktur. Die einzelnen Schnüre entweder miteinander vernähen oder mit einem Tacker aneinanderheften. Die Stücke miteinander zu verknoten ist keine gute Idee – die Knötchen stehen dann aus der fertigen Matte hervor. Für einen farbigen Akzent können Sie zusätzlich zu den Fahrradschläuchen einen alten Gummistiefel verwenden – auch ihn schneiden Sie zu einer Schnur und vernähen ihn mit den anderen Schnüren. Die Schnur zu einem Knäuel wickeln.

5. Nun kann gehäkelt werden. Ich habe eine Häkelnadel der Stärke 7 benutzt, aber man kann auch größere Nadeln verwenden. Wer so etwas nicht besitzt, greift auf einen Zelthering zurück.

6. Luftmaschen häkeln, bis die gewünschte Breite der Matte erreicht ist. Der Faden aus Fahrradschlauch ist nicht sehr gleitfähig, das Häkeln kann anstrengend werden. Einfacher geht’s, wenn Sie die Häkelnadel immer wieder in etwas Öl tunken. Babyöl eignet sich dafür genauso gut wie Sonnenblumen- oder anderes geruchsneutrales Speiseöl. Dann gleitet der Fahrradschlauchfaden besser.

7. Ist die Luftmaschenreihe breit genug, mit festen Maschen weiterarbeiten. Sobald die Matte die gewünschte Länge erreicht hat: Fadenende durch die letzte Masche schieben, festziehen und den abstehenden Rest durch einige andere Maschen fädeln, sodass es nicht mehr auffällt. Matte vor die Wohnungstür legen – fertig.

Die Genussseite: Autorinnen der taz beschreiben hier einmal im Monat, wie man aus Müll schöne Dinge macht. Außerdem im Wechsel: Wir kochen mit Flüchtlingen, Jörn Kabisch befragt Praktiker der Kulinarik, und Philipp Maußhardt vereinigt die europäischen Küchen

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