piwik no script img

Schöner Müll 30.000 Dias hat der Onkel von seinen Reisen mitgebracht. Viel zu schade, um unterm Bett zu verstauben. Bastelt man eine Lampe aus ihnen, geben sie heimeliges LichtFotos in drei Dimensionen

Von Christina Spitzmüller

Das Salz der Atacamawüste liegt bei meinem Onkel im Schlafzimmer. Zwischen Kiwivögeln aus Neuseeland, dem Moskauer Roten Platz und den Pariser Champs Élysées, alles säuberlich beschriftet und in Kisten verstaut: 30.000 Dias aus über 20 Jahren Reisen. Fotografien aus knapp 80 Ländern und Städten hat der Onkel angesammelt, diese Erinnerungen sind sein ganzer Stolz.

In Barcelona wurde ihm dann 2011 die Kamera geklaut. Das war für ihn das Ende der Diafilme. Und der endgültige Einstieg in die digitale Fotografie. Seither ist sein Verhältnis zu Barcelona getrübt. Das zur digitalen Fotografie auch.

Schließlich funktioniert das mit dieser neumodischen Technik nie so, wie man will: Bei der Sortierung der Bilder gibt es immer wieder Probleme – ein geeignetes Foto-Slideprogramm zu finden, ist nicht so einfach. Und dann wird die Farbe nie richtig wiedergegeben über den Beamer. Und dann sind die Fotos plötzlich wieder völlig durcheinander. Mit dem Diaprojektor war das schon einfacher.

Aus den liebevoll arrangierten Diavorträgen im örtlichen Kulturzentrum mit passender Musik, auf Kassetten zusammengeschnitten, wurden Foto-Slideshows vom Computer, regelmäßige cholerische Anfälle des Onkels inbegriffen. Und das, obwohl mein Onkel dem technischen Fortschritt gegenüber eigentlich sehr aufgeschlossen ist (und die Tastentöne seines Smartphones niemals ausstellt. Weil er sie so mag.)

Der Onkel ist jedenfalls der Meinung, dass das Dia mehr Seele hat, als das JPG-Bild. Denn: Wenn der PC abschmiert, bleibt nix (so technisch fortschrittlich, dass er regelmäßig Back-ups macht, ist der Onkel dann doch nicht). Vom Dia bleiben 30.000 gerahmte Erinnerungen, bis zum Tod und darüber hinaus. Liebevoll verpackt, unterm Bett eingestaubt.

Tausende Arbeitsstunden stecken in ihnen. Fotos müssen entwickelt, sortiert, in Rähmchen gepackt und geordnet werden

Tausende Arbeitsstunden stecken in ihnen. Fotos müssen entwickelt, sortiert, in Diarähmchen gepackt und geordnet werden. Manche von den kleinen Rahmen sind noch beschriftet: Athen ‚96 steht da zum Beispiel. Auch wenn schon lange kein Bild von Athen mehr darin ist, sondern eines aus Moskau, aufgenommen über zehn Jahre später. Zwei Erinnerungen in einem Diarahmen. Damit die Dias die Achtung bekommen, die ihnen gebührt, habe ich ein paar hundert von ihnen beim Onkel geordert, um mit ihnen zu basteln.

Erst habe ich es mit kleinen Windlichtern versucht, in die ich Teelichter gestellt habe. Geht nicht – die Diarahmen schmelzen. Hätte ich mir denken können. Die praktikable Lösung: ein kastenförmiges Leuchtelement, gefüllt mit LED-Lichtern. Dialux nennt der Onkel es liebevoll.

Sein Diavorrat reicht für mindestens 555 Boxenlampen, hat er ausgerechnet. Wir können also unter die Großproduzenten gehen, der Onkel und ich. Mit eigenem Verkaufsstand auf dem heimischen Wochenmarkt. Der Onkel wittert eine neue Chance, nachdem das mit seiner kleinen, aber feinen Marmeladenmanufaktur (Slogan: „Der Sommer im Glas“) nicht im großen Stil geklappt hat.

Allerdings werden die Diamotive nicht auf die Wand übertragen, auch auf die Farbe des Lichts haben die Motive keinen Einfluss. Es ist einfach nur angenehm schummrig – egal, welche Motive die verwendeten Dias haben.

Der Onkel hat seinen letzten öffentlichen Bildervortrag übrigens im Frühjahr veranstaltet. Nachdem es damals aufgrund der Anspannung aller Beteiligten fast zu einem Familienstreit gekommen wäre, hat er nun beschlossen, dass es keine weiteren Vorträge geben soll – zum Schutz seiner eigenen Nerven und der seiner Nichten und Neffen.

Anleitung Dialux :

1. Für die Dialux benötigen Sie 54 Dias. Kleben Sie zunächst jeweils drei Dias mit Heißkleber an den Seitenflächen in Reihen. Dabei darauf achten, dass Sie nicht zu viel Heißkleber verwenden – den sieht man sonst später.

2. Nun kleben Sie jeweils drei Reihen aus drei Dias übereinander, sodass Sie sechs quadratische Flächen mit je neun Dias erhalten.

3. Kleben Sie vier der Flächen so zusammen, dass eine Würfelform entsteht, die oben und unten offen ist. Anschließend eine der offenen Seiten mit einer Diafläche schließen.

4. Eine batteriebetriebene LED-Lichterkette von etwa 50 bis 100 Zentimeter Länge (je nach gewünschter Helligkeit der Box) punktuell mit Heißkleber in der Diabox befestigen, sodass die Lämpchen möglichst gleichmäßig in der Lampe verteilt sind. Das Gehäuse mit der Batterie außen an der Box festkleben – das Kabel sollte an einer der noch offenen Ecken ins Innere der Lampe führen.

5. Nun die Box mit der letzten Diafläche schließen. Fertig.

Die Genussseite: Autorinnen der taz beschreiben hier einmal im Monat, wie man aus Müll schöne Dinge macht. Außerdem im Wechsel: Wir kochen mit Flüchtlingen, Jörn Kabisch befragt Praktiker der Kulinarik, und Philipp Maußhardt vereinigt die europäischen Küchen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen