■ Schöner Leben: Piepseranto
Schöner Leben
Piepseranto
Das Schöne an den modernen Zeiten ist, daß manchmal überfällig Sinnfälliges zusammenfällt. Zum Beispiel piepst es ja jetzt bei jenen, bei denen es immer schon piepste, wirklich. Erst piepste es bei manchen Menschen ja nur subcutan, und man wußte gar nicht um das ganze gesellschaftliche Pieps-Ausmaß. Dann piepste es bei diesem oder jenem im Kino. Kurz darauf trat ein Dunkelmann ans Licht der Welt und ward von einem elektronischen Terminplaner zur Räson gepiepst, eine Art kategorisch imperativer Weckruf zu Mutters Geburtstag.
Mitterweile nistet das Piepsen mit Vorliebe auf Plätzen, wo frohe Menschen frohe Sahnetorten essen, etwa auf Ausflugsterrassen. Hei, wie das piepst von allen Seiten, wo der mobile Mobilfunker sitzt. Steife Brisen von Geschäftigkeit wehen um arme Sahnehäubchen und adeln uns, die wir bloß sitzen, unerreichbar für Gott und die Welt. Gut, daß wir mithören dürfen! Manchmal bis nach Bangkok, mein Gott! Von unten lacht eventuell ein Teich, von oben grinst die Sonne — und dazwischen sitzt glücklich der schnurlos Bepiepste und hat sich von allem abgenabelt, also etabliert.
Der Siegeszug des Pieps ist unaufhaltsam: schon wurden rasende Hausfrauen mit Mobilschnitzeln gesichtet. Zugvögel hängen heimlich Pieps-und Tirilierapparate in die Zweige und machen schon im Sommer blau. Aber eines Tages wird der liebe Gott mit einem donnernden Pieps die Schallmauer durchbrechen, und dann wissen wir: der Jüngste Tag ist gekommen, an dem unsere Sünden gezählt werden. Und die mit dem elektronischen Kalender plus integriertem Taschenrechner müssen vortreten. Hihiii.
Claudia Kohlhase
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