■ Schöner Leben: Ach, Erika!
Am Anfang war das Rad. Ziemlich schnell wurde ein kleines Rädchen draus. 1233 erfand ein Genueser Mönch damit die erste Schreibmaschine, aber weil sie noch ziemlich lautstark herumrumpelte und also die Brüder im Kreuzgang nebenan bei der Zwiesprache mit dem Herrn störte, wurde die Neue Technik untersagt und geriet rasch in Vergessenheit. In Wahrheit steckte natürlich der technologiefeindliche Abt dahinter, ein Traditionshuber alten Schlages, der die Kulturleistung des Schreibens mit devot gebeugtem Kopf am Stehpult in Gefahr wähnte.
So dauert es noch geschlagene 750 Jahre, bis endlich die erste „Erika“ serienfertig ist und das Schreiben revolutioniert. Die Komfort-Reiseschreibmaschine für daheim & unterwegs wird natürlich von den Skeptikern weiterhin abgelehnt; Kritiker warnen vor der „Mechanisierung der gesamten abendländischen Kultur“. Der Zusammenbruch der Federkiel- und-Tinte-Manufakturen ist aber in der 2. Jahrhunderthälfte praktisch nicht mehr aufzuhalten. Fortan werden zunächst die heilige Schrift, dann auch komplette Tageszeitungen mit Hilfe von „Erika“ hergestellt.
Dann geht alles ziemlich rasch. Die dieselbetriebe „Olympia Teutonicus“ bereitet den Siegeszug der Neuen Neuen Technik vor; bald sind auch die letzten widerständigen Journalisten mit dem nötigen Zubehör (Einfüllstutzen, Gasmaske) ausgerüstet. Als Updateversion bringt dann ein Genueser Konkurrenzunternehmen eine elektrische Makkaronireibe heraus, die aber am Konservatismus der bundesdeutschen Redaktionen scheitert und seither praktisch keine Rolle mehr spielt.
Und heute? Die Neue Neue Neue Technik hat sich nun vollends in Leben und Arbeit durchgesetzt. Der Datenpullover und das Brain-To-Brain- MIDI-Interface sind unverzichtbare Bestandteile der Kommunikation geworden. Kaum noch verzeichnen die Redaktionsdetektoren nennenswerte Widerstände. Nur ein paar Datenhinterbänkler, die sollen angeblich irgendwo zwischen ihren Workstations noch eine „Erika“ versteckt halten, um zwischen Dateimanagement und Ganzkörperumbruch ab und zu einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Alte Neue Technik werfen zu können.
Thomas Wolff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen