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■ Schöner Leben„Haaaaaaaaaalt“

Feierabend. 15 Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Ich bin noch im Büro. Meine Züge kommen oft später als geplant an ihrem Ziel an. Auf mich warten tun sie nie. 10 Minuten bis zur Abfahrt.

Wieviele Tätigkeiten kann ein Mensch gleichzeitig erledigen? Arbeit abliefern, Jacke krallen, Tür aufreißen, Treppe runterhechten, Fahrradschloß öffnen, aufsitzen, über den Markt jagen ... Leute stieben wie eine Bugwelle vor dem fliegenden Rad auseinander. Statt Entschuldigungen murmele ich ein inbrünstiges Gebet: „Hoffentlich kriege ich den Zug. Hoffentlich kriege ich den Zug.“

Erste Ampel rot, macht nix. Zweite Ampel rot, macht schon gar nix! Dritte Ampel . . . Der Zug wartet ja nicht. Am Bahnhof! Schweiß spritzt aus allen Poren. Geschafft? Halleluja! Gar nicht erst nach einem freien Radständer suchen. Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt des . . . „Halt!“

Schweißnasses Gesicht, hetzender Atem, zitternde Wadenmuskulatur, ein Kerl wie ein Baum. Was sag ich, zwei Kerle wie zwei Bäume hängen japsend über den Lenkern ihrer City-Bikes und versperren mir den Weg. „Wir sind Polizisten“, stellt sich der eine vor. Offensichtlich glotze ich so entgeistert, daß er meint, mich aufklären zu müssen. Fehlt noch, daß er mit den Händen vor meinen Augen wedelt, um meinen Reflex zu prüfen. „Ja. Und?“Mein Gestammel läßt den anderen Polizisten auf eine beruhigende Höflichkeitsfloskel ganz verzichten: „Durch die Fuzo gerast! Drei rote Ampeln überfahren! 360 Mark!“Noch vier Minuten. Buchhalter, Pingel, Knecht!

Ehrliche Tränen schießen über mein Gesicht. Langsam kann mich das knackige Outfit meines Gegenüber – Stretchshort, hautenges Leibchen – nicht mehr ablenken. Ich realisiere: Polizei. Erwischt. „Gebe alles zu. Habe kein Geld. Habe bis jetzt gearbeitet. Will nach Hause. Was ist denn jetzt?“Das Gestammel eines geistig Kollabierenden. „Wo haben Sie gearbeitet?“„Bei der tageszeitung, bei der taz.“Schallendes Gelächter: „Das heißt dann also 150 Mark Zuschlag.“Menschenquäler. Soll doch froh sein, daß er selbst Arbeit hat. Noch drei Minuten.

„Ich will nach Hause.“Dies ist mehr ein verzweifelter, meditativer Aufschrei, denn eine Forderung. Gleich werde ich zu Boden sinken. „Der ist durch den Wind. Wir lassen ihn laufen. Aber schließen Sie wenigstens ihr Rad ab. Nachher wird es Ihnen noch geklaut.“Oh, ihr liebsten Polizisten von der Welt!!

Der Zug fährt ab – mit mir Thomas Schumacher

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