piwik no script img

■ Schöner LebenEintritt 18 Mark

Hossa, war das eine spontane Idee. Mal aus Bremen rausfahren, was anderes sehen als die heimischen Discotheken, die am Wochenende Beruftstätige zum Zappeln einladen. „Wir wär's mal mit einer Umland-Disco? Wollte schon immer mal wissen, was für Menschen da hingehen“, fragte mein Freund – zwei Stunden später saß ich im Auto Richtung Kuhstedt – genauer gesagt Richtung „Magic“. Eine Dorfdisco in einer alten Scheune mit reinem Thekenbereich im ersten Stock und einer Dance-Hall im zweiten Stock unterm Spitzgiebeldach mit netten Holzschrägen. „Das soll ganz nett sein, da waren wir schon mal vor Jahren“, beteuerten unsere vergnügungssüchtigen MitfahrerInnen, als wir gemeinsam über verregnete Landstraßen Richtung Kuhstedt düsten.

„Weißt du, was so blöd an diesem Abend ist? Ich kann nicht mit Menschen kommunizieren, die den ganzen Abend noch nichts getrunken haben“, brüllte mir Mitfahrer Jens unvermittelt ins Ohr. Anders hätte ich seine Beschwerde auch gar nicht gehört. Wir saßen schließlich direkt neben den Boxen und Jens hatte schon mächtig einen gekippt. Kein Wunder, bei dem Eintrittspreis von 18 Mark mit dem verheißungsvollen Hinweis an der Magic-Tür: „Heute abend sind alle Getränke frei.“

Bacardi-Cola war das Spitzengetränk an diesem Abend für die versammelte dörfliche Discoschar (für den Punk, den Öko, den Vokuhila – vorne kurz, hinten lang – für den Rocker und die Rockerin). „Du, im Männerklo kotzen sie schon alle, und protzen anschließend: Ich muß ja noch fahren“: Diese Botschaft erreichte mich um ungefähr ein Uhr nachts – von Jens, meinem Sitznachbarn. Von seinem Alkoholpegel erfuhr ich allerdings gar nichts. Jedenfalls lallte er noch nicht. „Du, an der Theke begrüßen die sich jetzt schon mit Hitlergruß und hetzen über Ausländer“, lautete der zweite Warnruf. Egal, ich gehe ohnehin nicht aufs Männerpissoir. Dafür aber auf die Tanzfläche: Versoffene Augen glotzten mich da plötzlich an. Der Idiot stand einfach da und starrte mich an – wenige Sekunden später folgte der zweite. Hinten an der Theke brachen schon die ersten Schnapsleichen zusammen. „War doch eigentlich ein schöner Abend“, befanden unsere alkoholisierten MitfahrerInnen schließlich auf der von mir langersehnten Heimfahrt, „bei 18 Mark Eintritt und allen Getränken frei, kann man da nichts sagen.“ Katja Ubben

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen