■ Schnittplatz: Adieu, Vollspann!
Es gilt, Abschied zu nehmen. Abschied vom harmonischen Traumpaar des deutschen Fußballs, das uns ans Herz gewachsen ist wie Klinsi und Rudi. Karl-Heinz Rummenigge hört auf, im Fernsehen kozukommentieren. Die ARD hat den Vertrag mit dem 95fachen Nationalstürmer und etwa 59fachen Mitkommentator aufgelöst. Es habe zuviel Kritik gegeben, heißt es aus Reihe 1; einer wie Kalli Feldkamp, der Trainer, sei in Reihe 1a, beim ZDF, zuletzt viel besser angekommen.
Ach, Kalle. Wir trauern um einen ausgewiesenen Fachmann, einen wahrhaftig erfahrenen Recken des Rasenrechtecks. Rummenigge wußte wenigstens noch, wie man tort: „Der hätte jetzt mit dem angeschnittenen Fuß schießen müssen“, sagte er gern. Orthopädisch versiert, empfahl er dazu immer den Vollspann, besser noch den Innenvollspann. Niemand außer ihm kannte den „verzinkten Schuß“. Nur er bemerkte den heimtückischen Gegner, der „mit allen Salben gesalbt“ ist. Und er geißelte vehement das Foulplay: „Lebensgefährlich“, sagte er immer wieder, „lebensgefährlich, das ist ja lebensgefährlich, wie der da reingeht.“
Und er war Ethnologe und Kosmopolit. Die Spielweise der Marokkaner analysierte er so: „Daß sie alle so hinter dem Ball herrennen, hat seinen Ursprung in der arabischen Mentalität.“ Und die Italiener, hatte er in Italien gelernt, „können auch ohne Alkohol friedlich sein.“ Zudem war Rummenigge durchaus interdisziplinär bewandert. „Der Toni Schumacher“, dozierte er einmal stilblütensicher, „faustet den Ball immer wie früher sein Vorbild Muhammad Ali.“
Vorbei die Zeiten, als Bärtchen Faßbender „ja“ sagte und Rummenigge „ja, sicher“ antwortete. „Finden Sie nicht auch, Kalle?“ Das fehlte uns doch gestern abend schon und auch die Antwort „Ja, gut, also ...“. Das bewährte Duo infernale ist geschieden. Niemand mehr, den die beiden, wie einst jenen argentinischen Schiedsrichter, wutentbrannt gemeinsam in die Pampa schicken könnten. Nie wieder „ganz bestimmt“ nach „so ist es doch, oder?“. Einsam und allein kommentierte Faßbender gestern abend aus Moskau. War seine Stimme nicht merkwürdig leer und traurig? „Auf Nimmerwiedersehen, allerseits!“Bernd Müllender
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