■ Schnittplatz: Hirntot in Sat.1
„Talk im Turm“, So., 22.15 Uhr, Sat.1 – Nach dem kontroversen Fernsehfilm kommt die Expertenrunde – wegen der Ausgewogenheit. Das hat Tradition im deutschen Fernsehen, und damit wollte auch Sat.1 nicht brechen. Hätten sie bloß! Erich Böhme gelang es im „Talk im Turm“ mühelos, das Niveau des vorangegangenen TV- Films „Risiko Null“ (taz vom 4. 11.) noch zu unterbieten. In beiden Sendungen ging es um die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE), den Rinderwahnsinn.
Die Runde, die Böhme um sich geschart hatte, war bunt, die Diskussion dagegen ein alter Hut. Professor Otto Christian Straub, ein Virusforscher, erklärte gleich zu Anfang kategorisch, daß sich der BSE-Erreger auf keinen Fall im Muskelfleisch befinde – eine hahnebüchene Behauptung, die er nicht beweisen kann. Bei einem Wissenschaftler, der einen solchen Satz von sich gibt, ist tiefes Mißtrauen angebracht. Karin Köster- Lösche, eine kritische Tierärztin, die gerade ein Buch über den Rinderwahnsinn geschrieben hat, kam zu wenig zu Wort, um den selbstherrlichen Virusforscher in Verlegenheit zu bringen. Hier hätte der Moderator eingreifen und wenigstens den gröbsten Unfug von Straub hinterfragen müssen. Der von Sachkenntnis völlig ungetrübte Böhme war mit der Aufgabe deutlich überfordert.
Helmut Zipner, ein Kantinenwirt, der Rindfleisch vom Speiseplan gestrichen hat, und Eisi Gulp, der als „kritischer Esser“ für ein paar humoristische Einlagen sorgte, konnten ebenfalls kein Licht in die Angelegenheit bringen, und Martin Gremmer von der Aktionsgemeinschaft Fleisch ging es nur um eine Botschaft: Deutsches Fleisch ist gutes Fleisch. Lediglich Reimer Böge, der EU- Agrarpolitiker von der CDU, glänzte mit Fakten. Ihm war anzumerken, daß er sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt hat.
Am Schluß der Sendung kam es dann ganz dicke. „Fleisch okay“, faßte Straub es im Stile eines Bild- Reporters noch mal zusammen, „Rindermark und Hirn würde ich nicht essen.“ Davon rät sogar die britische Fleischindustrie ab. Jetzt schöpfte Böhme doch noch Verdacht: „Ich denke, BSE überträgt sich nicht auf den Menschen?“Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen