■ Schnittplatz: Sächsisch dynamite
Die Idee soll den Charme direkter Fernsehdemokratie haben: Die CDU-Regierung in Sachsen will, daß teils die Zuschauer darüber abstimmen, welche Kabelprogramme über den Bildschirm flimmern. Damit werde der Einfluß von Staat oder „behördenähnlichen Einrichtungen“ wie der Landesmedienanstalt zugunsten von mehr Zuschauerbeteiligung verringert, sagt Regierungssprecher Michael Sagurna. Eine Einspeisungsgarantie haben sollen nur das Erste, ZDF, MDR, arte und in Sachsen lizenzierte Privatsender. Kein Wunder, daß 3sat-Koordinator Walter Konrad die Idee eine „populistische Augenwischerei“ nennt: Minderheitenprogramme wie 3sat oder Phoenix wären bei einer Abstimmung vermutlich die Dummen. Eine Abstimmung benachteilige zudem „Newcomer“- Programme, die noch niemand kennt. Die Dresdner Staatskanzlei hält dagegen, neue Sender könnten sich in Broschüren oder Trailern vorstellen, eventuell sogar auf einem eigens reservierten Kabelplatz. Jeder, erwidert 3sat-Mann Konrad ärgerlich, könne „ein wunderbares Promotion-Programm machen und tagelang nur Highlights bringen“. Die PDS im Dresdner Landtag befürchtet Vorteile für „Mediengiganten“: „Leo Kirch brauchte für seine neueste Idee nur Spots bei Sat.1, Pro7, Kabel1 etc. laufenzulassen.“
Nach den Regierungsplänen soll der Zuschauerwille alle ein oder zwei Jahre und je nach Größe der Kabelanlage ermittelt werden. Kontrollinstanz soll die Landesmedienanstalt sein, doch die hat zum Wirrwarr von Hunderten sächsischen Kabelnetzen bis dato nicht einmal verläßliche Zahlen. Ursprünglich kommt die Idee aus Dänemark. Doch dort erwies sich eine erste Urabstimmung nicht als danish dynamite, sondern als Fehlzündung: Es stellte sich heraus, daß mehrere zur Wahl stehende Kanäle gar nicht existieren, außerdem die Stimme von Hausbesitzern schwerer wog als die einer größeren Wohnanlage. Die Sachsen, riet Kurt Beck, Mainzer Ministerpräsident und Chef der Rundfunkkommission der Länder, in einem WDR-Interview, sollten über ihre „abenteuerliche“ Idee noch „ein bißchen nachdenken“. Georg Löwisch
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