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■ Schnittplatz50 Jahre Seniorenprosa

Manfred Rommel, Stuttgarts ehemaliger Oberbürgermeister, hat sogar gereimt: „Keine Kultur kann es verwinden / Und muß bald den Tod erleiden / Wenn die Leser ganz verschwinden / Und nur Zuschauer übrigbleiben.“

Zu lesen sind Rommels Verse in der aktuellen Ausgabe des Senioren-Poesiealbums Das Beste – Reader's Digest, das dieser Tage sein 50jähriges feiert. Doch ach, auch ohne die trüben Zeilen des Ex- OBs mag sich die rechte Feierstimmung nicht einstellen. Und man muß gar nicht erst auf den sturzbachartigen Auflagenschwund der „führenden Lesezeitschrift Deutschlands“ schauen (rund 25 Prozent seit 1996) oder durchs Jubiläumsheft blättern, um sich den desolaten Zustand des Blattes vor Augen zu führen. Nein, es reicht ein Blick auf die Gratulantenliste. Außer Rommels Abgesang hat die Stuttgarter Redaktion nämlich noch 13 weitere „prominente Geburtstagsgrüße“ abgedruckt. Die reichen von Michel Friedmans „Von Kindheit an, bis heute“ und Rüdiger Nehbergs Lob der „Mitmenschlichkeit“ über Kindheitserinnerungen von Bunte-Chefin Patricia Riekel bis zu unverblümten Selbstreferentialitäten von Klaus Bresser (ZDF) und Peter Lewandowski (Playboy). Ja, und dann konnte das Traditionsblatt sogar „Interview“-Partner Helmut Kohl eine Würdigung entlocken: „Das Beste – Reader's Digest kenne ich schon lange. Immer wenn ich etwas Zeit hatte, habe ich gern darin gelesen.“ Kohls Sprachwitz dürfte die sieche Leserschar (Auflage derzeit noch 1,16 Mio.) wohl auch darüber hinwegtrösten, daß sich unter das Gratulantenhäuflein u.a. Ede Zimmermanns Geburtstagsgrüße von 1978, Max Schmelings und Willy Brandts Glückwünsche von 1968 und 40 Jahre alte Grußworte Ludwig Erhards gemischt haben. Verwunderlich nur, daß bei so viel Zeitlosigkeit die zeitloseste aller Reader's Digest-Würdigungen vor den Glückwunschakquisiteuren keine Gnade fand: Schrieb nicht der große deutsche Dichter Bertolt Brecht schon 1942 (also bereits, sechs Jahre bevor das US- Magazin den deutschen Markt entdeckte), Reader's Digest prüfe bei jedem Manuskript genau, „ob es auch Scheiße ist, bevor es genommen wird“? Christoph Schultheis

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