: Schmollmund beim Urschrei
■ Ex-Echo and the Bunnymen Ian McCulloch mit Electrafixion
Was erzählt der Mann für einen Kram? „Ehrlichkeit, Reibung, Intensität, Smashing Pumkins, Techno ist doof, Gitarren sind eine Waffe, Nirvana, Gefühle rauslassen“ – um nur die markantesten Eckpunkte seiner sprudelnden Rede zu zitieren. Vor mir sitzt nicht etwa ein zotteliger Rocker, sondern Ian McCulloch, der ehemalige Kopf von Echo and the Bunnymen. Wer heuer rückblickend an den Pop der 80er denkt, dem fallen spontan die Smiths ein oder Bands wie Julian Copes Teardrop Exploded oder Echo and the Bunnymen, die einen gehörigen Teil Pionierarbeit geleistet hatten. Speziell das zurückhaltend atmosphärische Spiel des Bunnymen-Gitarristen Will Sergeant eröffnete ganz neue Perspektiven im Einsatz der Gitarre.
Und jetzt das! Das schlimmste ist, daß man Ian McCulloch jedes einzelne Wort seiner Passionsgeschichte abnimmt: Vom großmäuligen Arschloch über das böse Blut beim Bunnymen-Split, dem langen Schweigen, dem tragischen Tod des Schlagzeugers zu den introvertierten Soloplatten der Selbstfindung. Aber auch Selbstmitleid und Drogen, und jetzt schließlich die Rettung und Erleuchtung durch den treuen Kameraden „Rock“. Aber es braucht schon das Charisma eines Ian McCullochs, um hier das Terrain des guten Geschmacks nicht zu verlassen. Zwar schmeißt er auf dem Debütalbum seiner neuen Band Electrafixion mit kathartischen Kraftausdrücken a la „Sister Pain“ nur so um sich. Doch hinter all den tonnenschweren Bergen psychedelischer Dröhnung blicken doch immer wieder diese unverwechselbaren, sehnsuchtsvoll in die Ferne schweifenden Melodien hervor, die die Mädchen beim Konzert in der ersten Reihe wieder einmal an seinen sinnlich schmollenden Lippen kleben lassen werden, während sich die Jungs im Hintergrund erneut fragen, wie der Typ nur diese wahnsinnige smarte Strubbelfrisur hinkriegt.
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